Marktausblick

Kommt 2023 noch ein Verlustjahr?

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US-STOCKS-FALL-ON-EARNING-REPORTS-FROM-BANKSAPA/AFP/GETTY IMAGES/SPENCER PLA
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Die Lage von Konjunktur und Börsen sei derzeit noch viel schwieriger als in den Siebzigerjahren, meint Vermögensverwalter Wolfgang Habermayer.

Die gegenwärtige Konjunkturlage wirft oft die Frage auf, ob sich die Siebzigerjahre wiederholen. Auch damals schwächelte die Konjunktur, die Inflationsrate schnellte – auch aufgrund externer Schocks – in die Höhe, die Notenbanken reagierten spät, aber heftig. Am Ende der Dekade hob US-Notenbank-Chef Paul Volcker die Zinsen auf 20 Prozent an und löste eine Rezession aus.

Kommt es wieder so schlimm? Es könnte noch schlimmer kommen, meint Wolfgang Habermayer, Chef und Gründer von Merito Financial Solutions. Denn heute gebe es auch einen demografisch bedingten Fachkräftemangel, der die Inflation anheize. Zudem würden viele Regierungen mit ausgabefreudiger Fiskalpolitik die Bemühungen der Notenbanken, die Inflation einzudämmen, konterkarieren.

Die Hoffnung, dass das Wegfallen von externen Faktoren, etwa das Ende des Ukraine-Kriegs, zu einem automatischen Rückgang der Inflation führen würde, teilt Habermayer nicht. Denn auch die Kerninflation (ohne Nahrungsmittel und Energie) sei hoch. In den USA liege sie über sechs Prozent, in Europa bereits bei 4,8 Prozent. Starke Lohnrunden würden diesen Trend noch anfeuern. Mit den derzeitigen Leitzinsen in der Höhe von 3,25 Prozent (USA) bzw. 1,25 Prozent (Europa) sei das kaum in den Griff zu bekommen. Zumal es immer eine Weile dauere, bis eine Zinserhöhung Wirkung zeige. Und je höher die nötigen Schritte werden, desto schwerwiegender wären die Auswirkungen für Konjunktur und Börsen.

Wie lang müssen sich Anleger also noch auf schwierige Zeiten einstellen? Statistisch gesehen stünden zwar die Chancen gut, dass auf ein Jahr mit hohen Verlusten (bis dato hat der S&P 500 mehr als 20 Prozent nachgegeben) ein sehr gutes Jahr folge, stellt Habermayer fest. Allerdings gebe es auch Beispiele von zwei oder gar drei Verlustjahren in Folge, etwa 1973/74 oder nach dem Platzen der Dotcom-Blase 2000–2002. 1929–1932 gab es gar vier Verlustjahre in Folge. „Wenn es ganz schlimm kommt, werden wir 2023 noch einmal ein Verlustjahr erleben.“

Techwerte könnten fallen

Der Boden der Aktienmärkte sei jedenfalls noch nicht erreicht. Dazu sei auch die Volatilität noch zu gering. Im Extremfall könnten Aktien infolge weiterer Schocks noch einmal um 20 Prozent nachgeben. Soll man also noch verkaufen? Eher nicht, meint Habermayer. Wer global diversifiziert ist, der sollte das nicht mehr machen. Denn wenn es nach oben gehe, passiere das gewöhnlich sehr schnell, zu groß sei das Risiko, dass man etwas versäume. Anders sehe es aus, wenn jemand stark in Technologieaktien investiert sei. Dieser Bereich sei besonders anfällig für Zinserhöhungen. Man habe das etwa am tiefen Absturz der Halbleiterwerte gesehen. Ähnliche Kurskorrekturen könnten auch andere Technologiewerte erleben, die in den nächsten Wochen ihre Bilanzzahlen für das abgelaufene Quartal bekannt geben.

Immerhin seien Anleihen attraktiver geworden: Um ein bestimmtes Ertragsziel zu erreichen, sei jetzt eine geringere Aktienquote nötig als in den vergangenen Jahren. Für Unternehmensanleihen guter Bonität (Investment Grade) erhalte man um die fünf Prozent Rendite, auch Staatsanleihen rentierten inzwischen deutlich positiv. Von langlaufenden Anleihen lasse man aber lieber noch die Finger, denn da sei das Risiko weiterer Zinserhöhungen (und damit Kursrückgänge) zu groß.

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