Zusammenarbeit

Berlin und Paris in der Sackgasse

Nach einem Vieraugengespräch wollen Macron und Scholz die „Einheit wahren“, doch inhaltlich liegen beide Partner weit auseinander.

Wien/Brüssel. Die Aussprache war bitter nötig. Noch vor dem offiziellen Beginn des EU-Gipfels in Brüssel trafen Emmanuel Macron und Olaf Scholz zu einem Vieraugengespräch zusammen, um die zunehmend in der Öffentlichkeit ausgetragenen Differenzen zwischen Paris und Berlin zu erörtern. Wenigstens der französische Präsident schlug danach etwas versöhnlichere Töne an: Beide Partner seien gewillt, die europäische Einheit zu wahren, versprach Macron.

Doch atmosphärisch wie inhaltlich tun sich die beiden wichtigsten EU-Chefs schwer miteinander – und das Problem droht die gesamte Union zu lähmen. Erst am Donnerstag wurde ein seit Langem geplantes Regierungstreffen kommenden Mittwoch in Fontainebleau bei Paris wegen Unstimmigkeiten bei Energie- wie Rüstungsfragen auf Jänner verschoben. Macron wird Scholz kommende Woche stattdessen in Paris empfangen. Die Minister beider Länder sollen zudem akribisch daran arbeiten, eine gemeinsame Position bei den strittigen Themen zu erreichen.

200-Mrd.-Euro-Programm

Deutschland hat sich in der EU nicht zuletzt wegen der strikten Ablehnung eines Gaspreisdeckels in den vergangenen Wochen zunehmend isoliert – und den traditionellen Partner Frankreich vor den Kopf gestoßen.

Auch das deutsche 200-Milliarden-Euro-Programm zur Abfederung der hohen Energiepreise steht in der Kritik, weil es von mehreren anderen Mitgliedstaaten als Wettbewerbsverzerrung gesehen wird.

Regierungsvertreter in Paris sind zudem frustriert, weil auch bei gemeinsamen Rüstungsprojekten wie dem Luftabwehrsystem FCAS wenig bis nichts weitergeht – die Schuld daran wird der Regierung in Berlin gegeben.

In einer anderen Frage dagegen hat Macron sich bewegt – und sich mit Spanien und Portugal auf den Bau einer dritten Energiepipeline zwischen der Iberischen Halbinsel und Frankreich geeinigt. Die von Scholz geforderte Midcat-Pipeline ist damit zwar endgültig begraben, wird aber durch das Projekt „Grüner Energiekorridor“ ersetzt.

Die neue Pipeline zwischen Barcelona und Marseille ist langfristig für grünen Wasserstoff gedacht, soll aber während einer Übergangszeit dem Transport von Gas dienen, das im EU-Energiemarkt benötigt wird. (aga/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2022)

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