Geschmacksfrage

Testessen im Tsuki

Ein Schanigarten – an einer der schönsten Orte Wiens, am Wiener Graben.
Ein Schanigarten – an einer der schönsten Orte Wiens, am Wiener Graben.Christine Pichler
  • Drucken

Herr Brenner besucht das vielleicht einzige Gartenlokal dieses Oktobers und isst Riesenräder.

Was haben Pandemie und Energiekrise abgesehen vom unerträglichen Gejammer und Pessimismus gemeinsam? Nennen wir es fröhlich frierend essen. In den Virusmonaten mieden wir enge Innenräume und die dort hockenden Mitmenschen, die Outdoor-Heizgeräte verbreiteten sich wie die sprichwörtlichen Schwammerln in den Gastgärten der Stadt. Nun drehen wir zwecks Kostensenkung und Energiewende die Heizungen runter. Die Bösen bleiben vorerst draußen. Dem Vernehmen nach ist das Teil eines politischen Deals, der zwischen den Sozialpartnern und der Regierung nach monatelangen Verhandlungen ausgehandelt wurde. Von wegen „die tun nichts“!

Ein sehr zentrales Wiener Restaurant werkt jedenfalls entlang dieser meteorologischen und gesellschaftspolitischen Zeitenwende: Tsuki heißt das Lokal, das eine „New Sushi Experience“ verspricht und eigentlich noch kein Lokal ist, sondern ein Schanigarten – an einer der schönsten Orte Wiens, am Wiener Graben, wo die Habsburgergasse quert. Es gäbe zwar ein Lokal, nämlich das gute alte Yohm, das ­leider vor ein paar Jahren aufgegeben werden musste, aber es wird gerade umgebaut. Daher: Bitte draußen unter den Grilllämpchen essen und trinken, bis die Baustelle keine mehr ist. Tatsächlich bestellen die meisten Gäste – wir reden wohl von Laufkundschaft – einen der Sprizz-Fizz-Aperos oder einen der japanisch anmutenden Highball-Longdrinks, mit denen man sich Zeit lassen sollte.

Die Speisekarte bietet unzählige Maki-Varianten mit lustigen Namen und Zutaten. ­Tatsächlich entsprangen der klassischen Sushi-Religion einige Spin-off-Ideen, die über L. A. und Berlin irgendwann auch Wien erreichten. Mochi machte es teils edel und ernst, die Ho-Lokale schon ein bisschen Teenager-populärer. Irgendwann wird einer eine Pizza oder einen Burger in ein Maki pressen und rollen. Hier schmecken viele sehr gut, etwa mit derbem Thunfischbauch, Wasabi und Frühlingszwiebeln; sehr fein auch die Nezuko Roll mit Rot-Beete-Reis, Soft Shell Crab und Avocado. Ein potenzielles Problem zeigt sich bei der Variante „I Am from Austria“ mit Tiroler Bauchspeck, Ebi Tempura, Avocado und Surimi: Nur eines dieser riesigen Rollenräder macht fast schon satt und blockiert Mund und Speiseröhre. Soll heißen: Ich würde eine Redimensionierung empfehlen. Und einen baldigen Abschluss der Innenrenovierung. Es wird kälter! 

Infos

Tsuki, Petersplatz 3, 1010 Wien, Tel.: +43/(0)699 18 17 59 05, Restaurant: Mo–So: 11.30–23.30 Uhr.

Mehr Kolumnen auf: DiePresse.com/lokalkritiken

("Die Presse Schaufenster" vom 28.10.2022)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.