Russland

Wolfswerdung im russischen Straflager

Die Vernichtung des Menschlichen durch den Staat schilderte er wie kaum einer.
Die Vernichtung des Menschlichen durch den Staat schilderte er wie kaum einer. Ullstein/Picturedesk
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Nicht einmal Solschenizyn hat die selbst erlebte Gulag-Hölle so schonungslos beschrieben: Jetzt lässt sich die literarische Wucht des Autors Warlam Schalamow neu entdecken.

Der Wollpullover, den seine Frau dem Häftling Garkunow beim Abtransport mitgegeben hatte – „ich wusste, wie Garkunow ihn hütete, ihn im Badehaus wusch, am Körper trocknete und nicht einen Moment aus den Händen ließ“, erzählt da einer aus dem Gulag. Dann, beim Spielen mit selbst gebastelten Karten, fordern Mithäftlinge den Pullover. „,Nein‘, sagte Garkunow heiser. ,Nur mitsamt der Haut . . .‘“ Gleich darauf hat einer ihn erstochen, und der Erzähler beendet die Geschichte: „Das Spiel war aus, und ich konnte nach Hause gehen. Zum Holzsägen musste ich mir jetzt einen anderen Partner suchen.“

So dicht und so erbarmungslos erzählt Warlam Schalamow in seinen „Erzählungen aus Kolyma“ in knappen Szenen über den selbst erlebten Gulag-Alltag nach dem ungeschriebenen Motto „Stirb du heute, ich morgen“; so erbarmungslos, wie er ihn selbst erlebt hat. So direkt begibt er sich hinein, dass sogar das Werk des durch seine Gulag-Bücher zum Nobelpreis gelangten Alexander Solschenizyn dagegen verblassen kann. Erlebbar ist das nun schon seit etlichen Jahren dank der deutschen Werkausgabe, die im Verlag Matthes & Seitz erscheint. Nun hat deren Herausgeberin, Franziska Thun-Hohenstein, auch eine Schalamow-Biografie veröffentlicht, begleitet von einer Edition der Briefe, die der Autor ab Anfang der 1950er-Jahre nach seiner Rückkehr aus 14 Jahren Lagerhaft geschrieben hat.

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