Lokalkritik

Ein hässliches Wirtshaus hinter der Stadthalle

iesige Luster, Retroreklame, gute Beleuchtung und nicht ganz leise Musik sorgen für Stimmung wie in einer Bar.
iesige Luster, Retroreklame, gute Beleuchtung und nicht ganz leise Musik sorgen für Stimmung wie in einer Bar. Christine Pichler
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Wirtshaus- und Grätzlaufwertung per Martinigans? Eine kulinarische Schenkung im 15. Bezirk.

Drei Restaurantkritiker gleichzeitig und nicht gemeinsam in ein und demselben Restaurant an einem Herbst­ferientag? Es muss sich nicht nur um Zufall oder ähnliche Redaktionsschlüsse, sondern auch um ein besonderes Restaurant handeln. Oder im konkreten Fall: ein besonderes Wirtshaus. Man muss schon ein sehr abgebrühter Hipster-Vertreter sein, um im Restaurant Mader im in jeder Hinsicht passenden Bezirk Wien Fünfhaus aus dem Staunen herauszukommen. Da wurde eine holzvertäfelte Eichenhässlichkeit quasi wiederbelebt und zur Geltung gebracht, wie es sich in Berlin kaum wer traut: Die 80er-Inneneinrichtung durfte oder musste ebenso bleiben wie alte Service- und Küchenhelfer.

Doch das war es dann mit der optischen Kontinuität: Riesige Luster, Retroreklame, gute Beleuchtung und nicht ganz leise Musik sorgen für Stimmung wie in einer Bar. Die naturbelassenen und nicht verputzten Wände für den guten alten Shabby-Schick. Die Küche pendelt zwischen Klassikern und vegetarischen Gerichten, als da etwa getestet ­wurden: ein gebratener Bulz aus Polenta auf Waldpilzen. Bevor Sie jetzt googeln: Hierbei handelt es sich um ein traditionelles rumänisches Gericht, in dem Mais und Schafmilch (und andere mögliche Zu­­taten) in einer Knödelvariante gebraten werden.

Foto: Christine Pichler

Im konkreten Fall sind es kalorienbetonte und sehr schmackhafte, mit Käse gefüllte Polenta-Knödel. Weniger fettintensiv fallen hervorragende Piroggen aus, deren Waldpilz-Füllung aromatisch punktet, dazu gibt es Salat, viele Steinpilz-Stücke und Dillrahm, so geht mehr oder weniger deftige vegetarische Küche. Bevor jetzt der Bobo-Alarm losgeht: Nein, es gibt keinen Chai Latte, sondern ein wirklich gutes, schön schmalziges und leicht gepfeffertes (!) Wiener Schnitzel vom Karl, da werden nicht nur Kinder glücklich. (Ketchup wird verstohlen gereicht, ist noch von früher.)

Wirklich gut wird dann die erste verkostete Martini-Gans-Hälfte – und das ohne Vorbestellung: schön knusprig außen, schön saftig innen. Bei den in diesem Fall so wichtigen Beilagen flaumt der Erdäpfelknödel vorschriftsgemäß, das Rotkraut fällt fruchtig-zimtig aus, der Bratapfel und die Quittensauce nicht so sehr. Zu verdanken hat Wien diese kulinarische Schenkung ­mehreren Herren, fast alle mit adäquatem Gesichtshaar natürlich: Moritz Baier, Daniel Botros und Marco Pauer – die Chefs des benachbarten Café Kriemhild – haben sich mit dem charmanten Kanadier und Gastronomen Andrew Rinkhy hier zusammengetan. So geht Wirtshaus- und Grätzl­aufwertung!

Tipp:

Restaurant Mader, Markgraf-Rüdiger-Straße 12, 1150 Wien, Tel.: +43/(0)1/98 233 50, Restaurant: Mo, Di, Do—Sa: 11–22 Uhr, So: 11–17 Uhr. Mehr auf: DiePresse.com/lokalkritiken

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