Mahlers Ideengeber

Rott Symphonie (Cover)
Rott Symphonie (Cover)DG (Universal)
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Eine neue CD öffnet Verehrern des Komponisten die Ohren: Die erste "moderne Symphonie" hat Mahlers Kommilitone Hans Rott geschrieben.

Jakub Hrůša hat sich in den vergangenen paar Jahren in die erste Reihe der jungen Dirigenten erobert. Für die Wiener Philharmoniker ist er in einer an wirklich prägenden Gestaltern armen Zeit einer der wenigen möglichen Kandidaten für eine langfristige Zusammenarbeit, die gedeihen könnte. Was die Oper betrifft, ist Hrůša für die nächsten Jahre allerdings bereits in London fix gebunden. Noch bekleidet er eine Chef-Position in Bamberg. Das dortige Symphonieorchester, dessen Wurzeln übrigens in Hrůšas Heimat liegen, macht unter seiner Leitung auch im CD-Studio wieder Furore.

Hans Rotts Pioniertat

Die jüngst erschienene Aufnahme von Hans Rotts E-Dur-Symphonie ist auch für Wien von Belang: Ist es doch jenes Werk, das Gustav Mahler, Kommilitone und Freund des Komponisten, als die „erste moderne Symphonie“ bezeichnet hat. Rott verstarb in jugendlichem Alter und hinterließ Mahler die Partitur seines Werks. Mahler der ließ sie - der wortreichen Wertschätzung zum trotz - in der Schublade liegen. Als führender Dirigent seiner Zeit hätte er eine Lanze für Rott brechen können. Tatsächlich nutzte er einige prägnante Einfälle des Kollegen zur Verarbeitung in seinen eigenen frühen Symphonien.
So kommt uns Heutigen das Scherzo Rotts verdächtig bekannt vor, denn es tönt wie ein Abklatsch des Scherzos aus Mahlers Erster - und die gilt uns als „erste moderne Symphonie“. 100 Jahre später weiß die Welt immerhin: Rott war für den Konservatoriums-Sitznachbarn ein Ideengeber.

Hören können Sie den Vergleich übrigens in der jüngsten Folge unseres Podcasts "Klassik für Taktlose" über das Plagiat in der Musikgeschichte!

Wir können mittlerweile auch Rotts Symphonie hören.

Stärken und Schwächen

Hrůšas Einspielung ist nicht die erste. Aber sie ist vielleicht die beste, klangschönste, die bis dato erschienen ist. Und sie kann dennoch manche offenkundig Mängel der Komposition nicht wettmachen: Das Finale, vor allem, ist viel zu lang und formal nicht recht ausbalanciert. Ein Übel, an dem übrigens, genau genommen, auch Mahlers Erste krankt, doch sind die Proportionen hier so gelagert, dass ein guter Dirigent, wenn er die erste Steigerungswelle nicht übertreibt, sicher ans Zeil kommt. Bei Rott wird die Sache langwierig, wie immer man sie zu gewichten versucht. Auch ist der Symphonie-Schluß nicht annähernd so raffiniert und wirkungssicher wie der von Mahler.
Insofern lässt uns auch eine solche Neuaufnahme der Rottschen Symphonie nicht an der Überlegenheit Mahlers zweifeln. Doch hätte der Komponist an seinem Opus noch manches verändern können - aber das Wort wenn ist auch in der Musikgeschichte verpönt. Diese E-Dur-Symphonie ist voller Schönheiten, die man auch im Unausgegorenen lieben kann. Die Bamberger Aufnahme wird dem Stück viele Freunde gewinnen und ist sie doch außerdem mit zwei Zugaben versehen, die der CD zusätzlich Aufmerksamkeit sichern werden.

Was Mahler verwarf

Die gedankliche Verbindung zwischen Rotts Symphonie und Mahlers Erster hat Jakub Hrůša dazu animiert, apropos Balance, jenen lyrisch-liedhaften Satz aufzunehmen, den Mahler aus seiner Symphonie verbannt hat: „Blumine“ heißt er und hat etwas mit Scheffels „Trompeter von Säckingen“ zu tun, leicht in Gefahr, ins Kitschige abzudriften - was dank des edlen, gesanglich in weiten Bögen phrasierten Trompetensolos und der dezent zurückgenommenen Begleitung im Bamberger Fall nicht droht.

Echter Bruckner?

Dazu, und das macht für Sammler den echten Mehrwert aus, ein Werk namens „Symphonisches Präludium“, das lange Zeit Mahler zugeschrieben worden war und das, wie die jüngsten Forschungen zu ergeben scheinen, vermutlich von jenem Komponisten stammt, der für Rott wie für Mahler das bedeutendste Vorbild war: Anton Bruckner. Gleichviel, wer diese sechs Minuten erfunden hat: Das ist leidenschaftliche (falls sie von Bruckner stammt: ungewöhnlich) theatralische Musik die in diesem Zusammenhang für das dramatische Finale einer insgesamt hörenswerten CD sorgt.

zum Podcast

Walter Dobner hat mit Jakub Hrůša gesprochen. Die Online-Version des Interviews gibt den Dialog in voller Länge wieder.

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