Josefstadt

Bissl Unterhaltung mit Nazis: „Jeder stirbt für sich allein“

Die Welt ist längst nicht mehr heil, doch noch wird gemeinsam gefeiert: Baldur (Julian Valerio Rehrl) fotografiert die Gäste, die auf den 25. Hochzeitstag von Anna und Otto (Susa Meyer, Michael Dangl, Mitte links) anstoßen.
Die Welt ist längst nicht mehr heil, doch noch wird gemeinsam gefeiert: Baldur (Julian Valerio Rehrl) fotografiert die Gäste, die auf den 25. Hochzeitstag von Anna und Otto (Susa Meyer, Michael Dangl, Mitte links) anstoßen.(c) Roland Ferrigato
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Franz Wittenbrink hat Hans Falladas Roman „Jeder stirbt für sich allein“ ausgeweidet und eine Art altertümelnde Nummernrevue daraus gemacht.

Da sitzen sie also rund um den Tisch und feiern. Otto und Anna haben nämlich silberne Hochzeit, es gibt sogar Bohnenkaffee, und die ganze Nachbarschaft ist geladen: das jüdische Ehepaar Rosenthal von oben, die Nazi-Sippe Persicke von unten, die beiden Kleinkriminellen vom Keller. Natürlich stoßen auch Sohn Franz und seine Verlobte Trudel, eine Widerstandskämpferin, mit an. Sie alle singen aus voller Kehle: „25 Jahre, Jahre froh, wie die Maus im Haferstroh“. Und der SS-Anwärter Baldur knipst noch ein paar Fotos von der ausgelassenen Gesellschaft.

Alles daran ist falsch, und nichts davon hat Hans Fallada geschrieben. Tatsächlich steht in seinem 1947 verfassten Roman das Gegenteil: dass Otto alles tut, um den Kontakt mit den Nazi-Nachbarn zu vermeiden. Weil die nämlich 1940 – in diesem Jahr spielt das Stück – gefährlich sind. Nicht nur für die Rosenthals, auch für einen einfachen Arbeiter wie ihn, der gar nicht an Widerstand denkt, noch nicht, aber zum Beispiel ein Radio besitzt, mit dem er ausländische Sender hören kann.

Aber das interessiert Dramatisierer Franz Wittenbrink nicht. Er will eine flotte Geschichte erzählen. Dafür packt er die Hauptfiguren gleich in der ersten Szene an einen Tisch, und er will, dass gesungen wird, immerhin ist das ein musikalisches Schauspiel, darum muss gefeiert werden. Wittenbrink wird noch alle möglichen Gelegenheiten für Gesangseinlagen schaffen: Er erfindet etwa flugs eine „rassige“ ungarische Nachtclub-Besitzerin, die dann ein schwungvolles Liedchen trällern darf.

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