Prozess

„Krass!“: RAF Camora freigesprochen

RAF Camora war von Anfang an siegessicher – und durfte mit einem Freispruch im Gepäck den Saal verlassen.
RAF Camora war von Anfang an siegessicher – und durfte mit einem Freispruch im Gepäck den Saal verlassen.APA/EVA MANHART
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Nach einem Videodreh soll der Star-Rapper RAF Camora bei einer Rauferei „ausgeteilt“ haben. Ein Würstelstandverkäufer wurde verletzt. Vor Gericht löste sich der Vorwurf in Luft auf.

Wien. Es waren viele gekommen. Sehr viele. Junges Publikum. Wer keinen Sitzplatz fand, durfte stehen. Oder sich irgendwo dazuquetschen. Dann kam er.

Schwarzer Prada-Mantel, schwarze FFP2-Maske. Die Location war ungewohnt. Es war nicht wie vorige Woche die Wiener Stadthalle. Es war der Saal 303 des Straflandesgerichts Wien. Dennoch ein gelungener Auftritt: RAF Camora wurde freigesprochen.

Es ging um Gewalt. Das mutete klischeehaft an. Mitte Juni hatte es einen Videodreh im Wiener Prater gegeben. RAF Camora und Bonez MC, zwei der erfolgreichsten Deutschrapper, waren für den Song „Letztes Mal“ in die Leopoldstadt (2. Bezirk) gekommen. Spätnachts bekamen Leute aus dem Camora-Clan Hunger. Beim nächsten Würstelstand gab es aber nicht genug Hotdogs. Das war der Auslöser.Am Anfang: derbe Beleidigungen. Dann folgten Schläge und Tritte. Wie das ablief, schilderte der prominente Beschuldigte RAF Camora, mit bürgerlichem Namen Raphael Ragucci (38), nun seinem Richter: Einer von den Männern im Umfeld der Filmcrew habe geschimpft. Der Würstelstandverkäufer habe „Du Nuttensohn“ zurückgegeben. Was dann geschah, schilderte der zweite Angeklagte, M. (36): Der Verkäufer sei mit einem Brotmesser aus dem Würstelstand herausgekommen und auf die Hungrigen losgegangen.

„Er war auf jeden Fall mutig“

Richter Patrick Aulebauer erinnerte den Rapper dann an Zeugenaussagen. Demnach seien drei Leute auf den Verkäufer losgegangen – Letzterer habe sich allein zur Wehr setzen müssen. Dazu RAF Camora mit tiefer Stimme: „Ja, ja, er war auf jeden Fall mutig, das muss man schon sagen.“ Er selbst habe aber mit der Rauferei nichts zu tun gehabt. Tatsächlich: Das bestätigen alle Zeugen. Und das bestätigt auch der ebenfalls als Zeuge geladene Würstelstandmann. Er hatte damals heftige Prügel bezogen. Einer der Angreifer war nämlich Kampfsportler.

Den Anfang habe der Würstelstandmann gemacht, bekräftigte der wegen Raufhandels angeklagte Rapper: „Ich seh, wie er mit dem Messer rauskommt. Ich dachte: Okay, krass, das ist zu viel.“

Und: „Wenn er nicht Stress gesucht hätte, wäre er nicht mit dem Messer rausgekommen.“ Noch deutlicher: „Der war aggressiv. Der war auf jeden Fall on fire.“

Insgesamt waren nun eigentlich drei Männer beschuldigt: Ragucci alias Camora, der schon erwähnte M. und jener Kampfsportler, A. (23), der auf den Würstelstandmann losgegangen war. A. kam aber nicht. Seine Anwältin gab an, er habe einen Corona-Schnelltest gemacht, und dieser sei positiv. Daher wurde das Verfahren gegen A. ausgeschieden. Er wird eine neue Beschuldigten-Ladung zugeschickt bekommen.

Interessant war dann die Aussage des Würstelstandverkäufers. Er habe kein Messer gegen die hungrigen Männer gerichtet. Er sei aber sehr wohl aus seinem Würstelstand herausgekommen. Er habe nämlich Aschenbecher wegräumen wollen, weil die Männer gedroht hätten, diese als Wurfgeschosse zu verwenden. „Dann wurde ich von hinten niedergeschlagen.“ Von mindestens zwei Angreifern. Denn: „Ich habe Tritte von vorn und von hinten gespürt.“ Aber nein, weder RAF Camora noch der zweite Mann auf der Anklagebank seien damals unter den Angreifern gewesen.

„Beleidigte“ Verteidiger

Damit waren auch die Verteidiger, Philipp Wolm für Raphael Ragucci und Klaus Ainedter für M., bestätigt. Als dann auch die Staatsanwältin zugestand, dass Freisprüche angebracht wären, „beklagten“ sich die Anwälte augenzwinkernd, dass ihnen nun die Anklägerin „das Geschäft wegnimmt“.

Während dieses Geplänkels war Raphael Ragucci nur Zuhörer. Der mit mehreren Hip-Hop-Awards ausgezeichnete Musiker („500 PS“, „Kokain“, „Vendetta“) legte seine tätowierten Hände in den Schoß und verfolgte mit Interesse den weiteren Ablauf seines Prozesses. Von sich selbst wollte er aber nur wenig verraten. Als ihn der Richter eingangs gefragt hatte: „Wie hoch ist Ihr Einkommen?“, folgte wie aus der Pistole geschossen: „Keine Angabe“. Auch als der Richter die obligate Frage nach dem Vermögen stellte (Raufhandel kann mit bis zu sechs Monaten Haft oder mit einer Geldstrafe geahndet werden), hieß es: „Keine Angabe.“ So viel steht fest: Der Videodreh im Prater war erfolgreich. Apropos Awards: Genau in dem Song, dem das Video gilt, heißt es: „Ich glaub, es klappt jedes Mal/Drauf 'ne Flasche Mezcal/Jeder Kack-Award, den es gibt/Hat seinen Platz zu Haus im Regal.“

Die beiden Freisprüche waren letztlich nur Formsache. Rechtskräftig sind sie auch schon. Nach Ende der Verhandlung drängten sich Dutzende junge Fans um das Portal des Gerichtssaals. Doch RAF, wie sie ihn nennen, entschwand durch einen Seitenausgang. Ein Jugendlicher wunderte sich, passte doch dieses Verhalten nicht zu einer Textzeile aus dem Song „Guapa“. Dort heißt es – und das trug der junge Fan unüberhörbar vor: „Paparazzi machen klick, Presseskandal/Doch mir ist scheißegal, soll es jeder erfahren.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2022)

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