Ausstellung

Beide Pyramiden sind weiß, oder?

Michael Maritsch
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Schlossmuseum Linz. Seit vier Jahren ist die aus Russland geflohene Anna Jermolaewa Professorin auf der Kunstuni Linz. Jetzt hat sie eine erste Retrospektive in der Stadt.

Sehen Sie die Pyramiden auf der Abbildung? Sie sind beide weiß. Nein, denken Sie, eine ist doch schwarz! Aber wenn die Mehrheit meinte „beide weiß“, dann spräche die Statistik dafür, dass auch Sie sich dieser Meinung anschließen würden. Sehenden Auges. „Beide weiß“ lautet der Titel dieser aus zwei Objekten bestehenden Installation im Linzer Schlossmuseum, mit der Anna Jermolaewa an ein Experiment der sowjetischen Psychologin Valeria Mukhina aus den Achtzigerjahren erinnert. Diese wollte damit eigentlich Solomon Ash widerlegen, der in den USA schon in den 1950-ern mit ähnlichen Experimenten den Konformitätsdruck eindrücklich bewies.

Was für ein schreckliches Wissen, was für eine schreckliche Gewissheit für jedes diktatorische Regime! Jermolaewa hat seit frühester Jugend daran festgehalten, dass eine der Pyramiden schwarz ist. 1970 in St. Petersburg geboren, schloss sie sich extrem jung dem Widerstand an und war Mitbegründerin der ersten Oppositionspartei in Russland. Mit 19 Jahren konnte die im sozialistisch-realistischen Stil ausgebildete Malerin im letzten Moment vor ihrem Prozess in den Westen fliehen. 1989 landete sie erst in Polen, dann in Wien, dann in Traiskirchen. Seit 2018 ist sie Professorin für experimentelle Gestaltung an der Kunstuni Linz.

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