Ein unglaublicher Korruptionsfall erschüttert das EU-Parlament. Es stellt sich die Frage: Sind 705 Abgeordnete wirklich nötig?
DER AUTOR
Max Haller (geboren 1947 in Sterzing) ist emeritierter Professor für Soziologie der Karl-Franzens-Universität Graz und Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖWA), an der er stellvertretender Leiter der Kommission für Migration und Integration ist. Außerdem ist er Obmann der Wiener Gesellschaft für Soziologie.
Das Europäische Parlament ist eine der vier zentralen Institutionen der EU. Auch wenn es eine der zentralen Aufgaben eines Parlaments – das Initiativrecht für Gesetzesvorschläge – noch immer nicht wahrnehmen kann, spielt es in Brüssel eine wichtige Rolle. Denn vor allem im EU-Parlament können weiterreichende Ideen und Vorschläge zur Sprache gebracht werden als in Rat und Kommission, die durch politische Realitäten und Zwänge beschränkt sind. So wurde das Europaparlament zu einem Vorreiter für die immer wieder notwendige Besinnung auf die Grundwerte der Union.
Aus dieser Sicht ist es unerlässlich sich Gedanken über Folgerungen aus dem vor Kurzem bekannt gewordenen, unglaublichen Korruptionsvorfall in diesem Parlament zu machen. Eine Vizepräsidentin des Parlaments wurde von Katar bestochen, um Einfluss auf seine Entscheidungen zu erlangen. Auf diesen Vorfall gab es bereits Reaktionen und Vorschläge. Die beschuldigte Abgeordnete wurde vom Parlament entlassen, die EU-Präsidentin versprach strenge Untersuchungen und die Einrichtung eines Ethikrats. Ob dieser viel helfen würde, darf bezweifelt werden. Der EU-Abgeordnete Othmar Karas schlug vor, ein Charakterscreening neuer Abgeordneter durchzuführen. Diese Idee ist interessant, aber politisch nicht umsetzbar und sogar ethisch fragwürdig.