Bildungskarenz

Bezahlte Auszeit für die berufliche Bildung

So mancher Berufstätige möchte wieder einmal etwas Neues lernen – eine Bildungskarenz gibt die Gelegenheit dazu.
So mancher Berufstätige möchte wieder einmal etwas Neues lernen – eine Bildungskarenz gibt die Gelegenheit dazu. Getty Images/iStockphoto
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Den Studienabschluss nachzuholen oder das Fachwissen zu vertiefen ist neben dem Job oft schwer möglich. Eine bezahlte Auszeit erlaubt es Bildungshungrigen, ihren Wissensdurst zu stillen.

Lebenslanges Lernen ist mehr denn je gefragt. Doch nicht immer ist es einfach, neben Beruf und Familie Zeit für eine Aus- und Weiterbildung, einen Studien- oder Berufsabschluss aufzubringen. Daher greifen immer mehr auf die Bildungskarenz zurück. „Sie eröffnet Arbeitnehmern die Möglichkeit, sich von der Arbeit freistellen zu lassen, um an Bildungsmaßnahmen teilzunehmen, ohne dafür das Arbeitsverhältnis auflösen zu müssen“, sagt Horst Friedrich, Experte für Bildungskarenz und Bildungsteilzeit beim AMS. Die maximale Dauer einer Bildungskarenz beträgt zwölf Monate, die innerhalb von vier Jahren aufgeteilt werden können. „Sie kann am Stück oder in Teilen von mindestens zwei Monaten konsumiert werden“, erklärt Friedrich. Voraussetzung sei, dass die Arbeitnehmer zumindest sechs Monate ununterbrochen beim gleichen Arbeitgeber in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis waren, in einem Saisonbetrieb reichen drei Monate. „Und man muss in den letzten vier Jahren insgesamt mindestens sechs Monate bei demselben Arbeitgeber tätig gewesen sein“, sagt Friedrich.

Welche Aus- oder Weiterbildung absolviert wird, steht dem Einzelnen frei. „Es muss sich nur um eine berufliche Aus- oder Weiterbildung handeln und die Person oder Institution, bei der sie absolviert wird, muss zur Aus- und Weiterbildung berechtigt sein“, sagt Friedrich. Die Ausbildung muss weiters mindestens 20Wochenstunden umfassen. Für Eltern mit Betreuungspflicht für ein Kind bis zum vollendeten siebten Lebensjahr, das nicht mehr als 16Wochenstunden anderweitig betreut werden kann, reichen 16 Wochenstunden. Wobei diese Wochenstunden nicht den Unterricht allein umfassen: Es sind auch Lern- und Übungszeiten inkludiert, sofern der Ausbildungsanbieter sie bestätigt.

Bestätigungen Pflicht

Apropos Bestätigung: Die Teilnahme an Kursen etc. muss etwa durch Besuchsbestätigung, Zeugnisse und Zertifikate belegt werden. „Bei einem Studium muss nach jeweils sechs Monaten ein Nachweis über die Ablegung von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern im Ausmaß von acht ECTS-Punkten erbracht werden“, sagt Friedrich. Beim Schreiben von Bachelor-, Master- und Diplomarbeiten oder Dissertationen dient auch das Ablegen von Diplomprüfungen oder Rigorosen beziehungsweise eine Bestätigung des Fortschrittes und des zu erwartenden positiven Abschlusses der Arbeit als Nachweis. Bleibt ein Nachweis aus, wird das Weiterbildungsgeld eingestellt. Eine Rückforderung gibt es Friedrich zufolge nur, wenn der Betreffende überhaupt nicht bei der Aus- und Weiterbildung anwesend war.

Einen Rechtsanspruch auf Bildungskarenz gibt es im Übrigen nicht, sie beruht vielmehr auf Freiwilligkeit. Die Vereinbarung mit dem Arbeitgeber kann formlos sein. „Die Bildungskarenz muss nicht schriftlich vereinbart werden, aber wir empfehlen es“, sagt AK-Arbeitsrechtsexperte Alexander Tomanek.

Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es für Arbeitnehmer währenddessen keinen Kündigungsschutz gibt. „Die Bildungskarenz – und die Zahlung des Weiterbildungsentgelts durch das AMS – läuft aber gegebenenfalls trotz Kündigung bis zum Ablauf der vereinbarten Zeit weiter“, sagt Tomanek. Das Weiterbildungsgeld für die Zeit der Bildungskarenz entspricht dem jeweils zustehenden Arbeitslosengeld. „Die Mindesthöhe liegt bei 14,53 Euro pro Tag“, erklärt Friedrich. Darüber hinaus darf bis zur Geringfügigkeitsgrenze beim Arbeitgeber dazuverdient werden. Kurskosten und sonstige Aufwendungen für die Aus- und Weiterbildungs allerdings werden nicht vom AMS übernommen und müssen selbst finanziert werden. „Man kann aber schauen, ob es dafür Förderungen gibt“, rät Friedrich.

Starker Zuwachs

Die Weiterbildungsoption erfreut sich jedenfalls großer Beliebtheit: Gab es 2004 rund 1200 Bezieher von Bildungskarenzgeld, waren es im Vorjahr rund 13.800. Im ersten Halbjahr2022 wurden gar mehr als 16.600 Bezieher gezählt. Frauen nehmen die Bildungskarenz laut Friedrich durchschnittlich 276 Tag in Anspruch, Männer 198Tage. „Die Bildungskarenz hat sich während der Wirtschaftskrise 2009 etabliert“, weiß Friedrich. Recruitingprofi Florens Eblinger sieht in ihr nicht nur eine Möglichkeit, um Krisen zu durchtauchen. „In Zeiten, in denen es immer schwerer wird, gutes Personal zu finden oder zu halten, sollte es das Ziel jedes Unternehmens sein, Mitarbeiter weiterzuentwickeln und Flexibilität zu zeigen“, meint Eblinger. Nicht zuletzt könnten Arbeitgeber durch die fachliche, aber auch persönliche Weiterentwicklung von Mitarbeitern nur gewinnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2023)

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