Biografie

"Ich schildere alles, wie ich es finde, ungeschmückt, aber wahr"

1847 reiste Ida Pfeiffer auf dem Ganges durch Indien.
1847 reiste Ida Pfeiffer auf dem Ganges durch Indien. De Agostini via Getty Images
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Ida Pfeiffer gehörte zu den ersten weltreisenden Frauen. Den Moralvorstellungen eines bürgerlichen Frauenbildes blieb sie auf ihren Abenteuerfahrten dennoch treu. Die Sozialwissenschaftlerin Gabriele Habinger hat ihre ambivalente Lebensgeschichte erforscht und aufgeschrieben.

Nun, gewiss, es waren andere Zeiten. Ein bisschen befremdlich liest es sich dennoch, wenn die österreichische Weltreisende Ida Pfeiffer als „ältere Dame“ beschrieben wird. Als eine solche habe sie 44-jährig, so ihre Biografin Gabriele Habinger, am 22. März 1842 in Wien das Dampfschiff Marianne bestiegen und sich mit einem nur spärlich gefüllten Geldbeutel auf nach Jerusalem gemacht. Sei's drum. Eine allein reisende Frau war Mitte des 19. Jahrhunderts in jedem Fall eine Ausnahmeerscheinung. Entsprechend bestaunt wurde Ida Pfeiffer (1797–1858) nicht nur an Bord der Marianne. Ihre Reisen sollten sie unter anderem nach Island, Kalifornien, Madagaskar, Brasilien, Sumatra und Indien führen, zum Teil in Gebiete, die vor ihr kein Europäer gesehen hatte.

Die bürgerliche Gesellschaft im Europa des 19. Jahrhunderts hatte für Frauen die Rolle der Hausfrau, Ehefrau und Mutter vorgesehen. Der öffentliche Raum und somit das Reisen ist Männern vorbehalten gewesen, erläutert Habinger in der Ende 2022 anlässlich des 225. Geburtstags der Reiseschriftstellerin, Naturforscherin undSammlerin erschienenen Biografie „Eine Wiener Biedermeierdame erobert die Welt“ (Promedia). Sechzehn Jahre lang, bis zu ihrem Tod durch Leberkrebs, bereiste Ida Pfeiffer ab 1842 die Welt. Sie umrundete diese zweimal, legte 240.000 Kilometer zur See und 32.000 Kilometer zu Land zurück und erkundete an weit von ihrer Heimat entfernten Orten auch die Sphären der Frauen unterschiedlicher Gesellschaften – etwas, was der fast ausschließlich männlichen Entdeckerwelt des 19. Jahrhunderts verwehrt blieb. Zahlreiche ihrer zoologischen, botanischen und ethnografischen Sammlerobjekte lagern heute auch im Naturhistorischen Museum Wien, Reisemitbringsel und persönliche Gegenstände sind im Literaturarchiv der Nationalbibliothek aufbewahrt.

Mit den Augen einer Dame

Wie wenig Pfeiffer auf Geschlechternormen gab, stellte sie als Neunjährige unter Beweis. Sie rebellierte gegen Mädchenkleidung und „Mädchentugenden“, konnte aber nach dem Tod des Vaters die Knabenrolle nur eine Zeit lang für sich beanspruchen. Erst nachdem die spätere Vernunftehe mit einem Lemberger Rechtsanwalt gescheitert war und ihre Söhne auf eigenen Beinen standen, hielt die Wienerin nichts mehr. Pfeiffer begann ein Leben auf Achse – und erzählte davon in fünf Berichten mit mehreren Bänden.

Es ist der Hartnäckigkeit des Verlegers Jakob Dirnböck zu verdanken, dass Pfeiffers Tagebücher zur ersten Reise 1844 schließlich in Druck gingen. Ihr Bericht fand sogleich großen Anklang. Habinger: „Binnen kürzester Zeit schafft sie den Aufstieg zu einer der beliebtesten Reiseschriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts.“ Pfeiffer, entgegen dem kindlichen Ungestüm später – auch unterwegs – durch und durch Biedermeierdame, wurde aufgrund ihrer Ehrlichkeit und Nüchternheit geschätzt.

Ihr Alter, in dem sie standesgemäß ein zurückgezogenes Leben führen sollte, nutzte Pfeiffer übrigens als Legitimation dafür, sich ohne Begleitung zu bewegen. Immerhin sei sie „im vorigen Jahrhundert geboren“ und damit über moralische Bedenken erhaben.

Gabriele Habinger, „Eine Wiener
Biedermeierdame erobert die Welt“
Promedia-Verlag, 160 Seiten; 27 €

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2023)

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