Das Attentat auf die demokratische Abgeordnete Gabrielle Giffords, dem sechs Menschen zum Opfer fielen, löste Bestürzung unter Politikern aus. Die 40-Jährige ringt mit dem Tod.
Washington. Als im März 2010 Gegner die Fensterscheiben ihres Büros in Tucson zertrümmerten, tat Gabrielle Giffords den Vandalenakt noch ab. Sie verspüre keine Angst, sagte die demokratische Abgeordnete nach dem Votum über die Gesundheitsreform, das die Emotionen in den USA aufgewühlt hatte. Daneben sei sie im Besitz einer Glock 19 und auch fähig, mit der Waffe umzugehen.
Irritiert zeigte sich die Politikerin indes darüber, dass Sarah Palin die Wahlkreise der Befürworter der umstrittenen Reform mit einem Fadenkreuz markierte – ein Signal, das dazu aufrief, deren Wiederwahl im Herbst zu verhindern. Giffords und Co. waren ins Visier einer zornentbrannten Tea Party gerückt. „Wenn man das tut, muss man sich der Konsequenzen bewusst sein“, warnte Giffords vor Palins Appell zur Hetzjagd.
Genesungswünsche Palins
Neun Monate später ringt die 40-Jährige mit dem Tod – und Palin hat ihr Genesungswünsche übermittelt. Der 22-jährige Jared Lee Loughner hatte Giffords an einem strahlenden Samstagvormittag bei einer Bürgerstunde vor einem Safeway-Supermarkt in Tucson aufgelauert. Er zielte mit einer Glock-19-Pistole auf ihren Kopf und feuerte danach blindlings um sich. Nachdem er sein Magazin leer geschossen hatte, warfen sich zwei Männer auf ihn und überwältigten den Attentäter.
Der Wirrkopf, suspendiert vom College und abgelehnt von der Armee, hatte innerhalb einer halben Minute ein Blutbad angerichtet, dem sechs Menschen zum Opfer fielen – darunter ein Mitarbeiter Giffords', die neunjährige Christina Taylor Green, geboren am 11. September 2001, und der Bundesrichter John Roll, der nach seinem Einkauf nur „Hallo“ sagen wollte.
Auf seiner Myspace-Homepage hinterließ Loughner vor seinem Amoklauf eine Notiz: „Auf Wiedersehen, Freunde. Seid mir bitte nicht böse.“ In seinen You-Tube-Filmen, in denen er über Währung und Gehirnwäsche schwadroniert, kommt eine schwer gestörte Persönlichkeit zutage.
Trauer, Schock und Erschütterung über den Anschlag haben das ganze Land erfasst. Präsident Barack Obama sprach von einer „unsagbaren Tragödie“ und von „Gabby“ als „einer Freundin“. Er versprach, der Sache auf den Grund zu gehen und schickte FBI-Chef Robert Mueller an den Tatort. „Eine Schande für Arizona“, entfuhr es Arizonas republikanischem Senator John McCain. In einer ersten Reaktion haben die Republikaner die Debatte im Repräsentantenhaus über die Rücknahme der Gesundheitsreform abgesagt.
Aufgeheiztes Klima
Die Kontroverse über illegale Immigration und ein umstrittenes Gesetz haben im Frühjahr das politische Klima des Wüstenstaats aufgeheizt. „Die Wut, der Hass, der Fanatismus ist abscheulich“, erklärte Clarence Dupnik, der Sheriff von Pima County. „Arizona ist zum Mekka des Hasses geworden.“
Giffords trat für schärfere Grenzkontrollen ein, forderte eine Verstärkung durch die Nationalgarde und kritisierte die Immigrationspolitik der Regierung – verwahrte sich aber gegen das Gesetz. Ob seine Tochter Feinde gehabt habe, fragte ein Reporter den Vater Giffords'. Seine Antwort: „Die ganze Tea Party.“
Dabei gilt Gabrielle Giffords als gemäßigte Demokratin. Nur so konnte sich die Jüdin, verwandt mit Hollywood-Star Gwyneth Paltrow und einst eingetragene Republikanerin, in einem eher republikanischen Distrikt an der mexikanischen Grenze behaupten. „Man muss sich schon sehr anstrengen, um sie nicht zu mögen“, sagte ihr republikanischer Vorgänger. Giffords, verheiratet mit einem Astronauten und Spaceshuttle-Piloten, wurde als Hoffnungsträgerin ihrer Partei und sogar als künftige Präsidentschaftskandidatin gehandelt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2011)