Hahnenkamm-Abfahrt

Ein Lebenszeichen der Skination

(c) Getty Images (Alexander Hassenstein)
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Zumindest für 24 Stunden ist die Streif in österreichischer Hand. Dank Vincent Kriechmayr, einer denkwürdigen Gondelfahrt und des spektakulär gescheiterten Topduos.

Als Vincent Kriechmayr am Freitagmorgen um 8.30 Uhr aus der Bergstation der Hahnenkammbahn schritt, war der Schalter bereits umgelegt. Fokus und Konzentration waren spürbar, kein Small Talk, kein Blick nach links und rechts, nur der entschlossene Gang in Richtung Starthaus der Streif.

Was folgte, war Kriechmayrs umjubelter Heimsieg in Kitzbühel und die endgültige Krönung des derzeit besten ÖSV-Abfahrers. Gröden, Bormio und Wengen standen bereits im Palmarès des Mühlviertlers, nun kam auch noch der letzte und größte der europäischen Abfahrtsklassiker hinzu. Nach Kriechmayrs drittem Weltcupsieg des Winters gilt mehr denn je: Findet der 31-Jährige das Selbstvertrauen, um an sein Limit zu gehen, ist der Sieg eher Regel als Ausnahme, selbst bei nicht gänzlich perfekter Fahrt.

Wie sehr wurde in Kitzbühel über die Lockerheit gestaunt, mit der der Oberösterreicher die Hahnenkammwoche, immerhin die wichtigste und kräfteraubendste für einen österreichischen Abfahrer, bisher absolvierte. Mit welcher Leichtigkeit er durchwachsene Trainingsläufe wegsteckte, Interviews gab und allen Verpflichtungen nachkam, die einem Aushängeschild der Skination nicht erspart bleiben. Und wie er dabei stets betonte, dass er nach seinen jüngsten Kitzbühel-Ergebnissen mit einem Sieg nur überraschen könnte.

Alles riskieren

All das, um zum richtigen Zeitpunkt den Schalter zu betätigen. Der Rennleiter erzählte Kriechmayr frühmorgens bei der Gondelbahn, dass bei der zweiten Streif-Abfahrt am Samstag ein weiterer Wintereinbruch droht. „Ich habe gesagt, ,dann muss ich heute alles riskieren‘. Sonst hätte ich heute zurückgenommen, damit ich morgen mehr Energie habe. So habe ich heute das Herz in die Hand genommen.“ Eine Fußnote dieses Erfolgs: Mit dem achten Abfahrtssieg hat Kriechmayr nun den vor drei Wochen überraschend zurückgetretenen Matthias Mayer überholt.

Natürlich, Kriechmayr nutzte auch die Gunst der Stunde: Mit Aleksander Aamodt Kilde, dem einzigen Läufer, der neben dem ÖSV-Star in diesem Winter schon Abfahrten gewonnen hatte, und Weltcup-Überflieger Marco Odermatt patzten die beiden Topfavoriten – spektakulär noch dazu. Nur mit viel Glück und Instinkt konnten sie böse Stürze in Steilhang (Odermatt) und Traverse (Kilde) vermeiden. Der Schweizer Odermatt wird nach dem erlittenen Schlag eine Rennpause einlegen.

Wiederholung?

Wie es tatsächlich um die Skination Österreich in der Königsdisziplin steht, zeigt der Blick auf die Ergebnisliste. Nur zwei ÖSV-Läufer fuhren in die Punkteränge (Top 30), Sieger Kriechmayr und Otmar Striedinger (14.). Zu dünn ist die Personalreserve im Speedteam, die zweite Reihe konnte auch dann nicht mithalten, als die Streif schneller und schneller wurde und plötzlich jeder jeden schlagen konnte – der Südtiroler Florian Schieder fuhr mit Startnummer 43 auf Platz zwei. Gleich sechs Läufer in den Top zwölf hatten Startnummern jenseits der 30.

Ruhm und Ehre sind Kriechmayr fürs Erste nur kurz vergönnt. Da die Kitzbühel-Organisatoren unbeirrt an ihrem Abfahrtsdoppel festhalten – Gefallen findet sonst niemand daran –, ist für heute (11.30 Uhr, live, ORF1, Eurosport) eine zweite Abfahrt angesetzt. Dieses Rennen gilt als traditionelle Hahnenkamm-Abfahrt. Ob Streif-Champion Kriechmayr glaubt, dann noch einmal den richtigen Schalter umlegen zu können? „Ich glaube nicht.“

Kitzbühel-Abfahrt
1. Vincent Kriechmayr (AUT) 1:56,16 Min.
2. Florian Schieder (ITA) +0,23 Sek.
3. Niels Hintermann (SUI) +0,31 Sek.
Weiters: 14. Striedinger +0,88, 33. Hemetsberger +1,65, 43. Babinsky +2,19, 45. Ploier +2,20, 48. Schütter +2,55.

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