Sao Kya Seng und Sao Thusandi, geborene Inge Eberhard, auf dem Königsthron des Shan-Volks der Hsipaw.
Nachruf

Die „himmlische Prinzessin“ aus dem Kärntner Lavanttal

Inge Sargent erlebte in Burma ein Märchen ohne Happy End. Sie hatte den Kronprinzen eines der Fürstentümer geheiratet. Ihr Mann hatte ihr diese Tatsache vor der Hochzeit verschwiegen. Sie verstarb im Alter von 91 Jahren.

In kleinen Booten waren die Menschen des Shan-Volks der Hsipaw vor bald 70 Jahren in den Hafen von Rangun gekommen. Sie warfen Blumen ins Wasser, sangen und hielten ein Banner hoch: „Willkommen zu Hause“. Die frisch vermählte Frau an der Reling des Schiffs SS Warwickshire, eine gebürtige Österreicherin und nicht einmal 22 Jahre alt, zeigte sich verwundert. „Es muss irgendjemand Wichtiger an Bord sein“, sagte sie zu ihrem Mann bei dessen Rückkehr in die Heimat. Woraufhin er antwortete: „Es gibt etwas, das ich dir sagen muss, meine Liebe.“

In der filmreifen Szene im Jänner 1954 – geschildert in der Biografie „Dämmerung über Burma“ und in der gleichnamigen Verfilmung – begann das Märchen der Oberförstertochter Inge Eberhard aus dem Lavanttal. Am Wochenende ist sie in einer Seniorenresidenz in Boulder in Colorado im Alter von fast 91 Jahren verstorben. Sao Kya Seng hatte seiner Frau seine wahre Existenz als Kronprinz eines der mehr als 30 Fürstentümer des Shan-Volks im Nordosten Burmas, nah an der Grenze zu China, verschwiegen.

Das Paar hatte sich 1951 bei einer Studentenparty in Denver kennengelernt. Sao Kya Seng war als Maschinenbaustudent inskribiert, Inge Eberhard aus Bad St. Leonhard mit einem Fulbright-Stipendium in die USA gekommen.

Nach der Rückkehr nach Burma nahm das Märchen für ein paar Jahre seinen Lauf. Das Herrscherpaar hatte neue Ideen mitgebracht. Der Kronprinz setzte eine Landreform um, er übereignete seine Reisfelder den Bauern, stellte ihnen Traktoren und modernes Gerät zu Verfügung, sagte der Korruption und der Kindersterblichkeit den Kampf an und trieb gemeinsam mit seiner Frau – nunmehr Sao Thusandi – karitative und humanitäre Projekte voran.

„Bekannter als in Österreich“

Bei der Krönung ihres Manns 1957 avancierte die Kärntnerin zur „Mahadevi“ – zur „himmlischen Prinzessin“. Fünf Jahre später endete das glanzvolle Kapitel im Leben Inge Eberhards in einem blutigen Putsch des Generals Ne Win. Die Militärs verschleppten ihren Mann, der sich im Oberhaus für die Unabhängigkeit des Shan-Volks eingesetzt hatte. Sein Schicksal ist bis heute ungewiss, doch an seiner Ermordung besteht kein Zweifel.

Seine Frau und die beiden Töchter wurden unter Hausarrest gestellt. Mithilfe von Diplomaten und gefälschten Pässen gelang ihnen 1964 die Flucht nach Österreich. Sao Thusandi heuerte an der thailändischen Botschaft in Wien an, forderte in Briefen Aufklärung über den Verbleib ihres Manns und wollte den Militärdiktator während eines Spitalsaufenthalts in einer Wiener Privatklinik mit ihren Vorwürfen konfrontieren.

Nach rassistischen Anfeindungen gegen ihre Kinder zog sie 1966 nach Colorado, wo sie den Wissenschaftler Tad Sargent heiratete und sich weiter für die Shan-Minderheit in Burma engagierte und eine Hilfsorganisation gründete. Als sie 1988 Flüchtlinge im Norden Thailands besuchte, wurde ihr die Verehrung einer Prinzessin zuteil.

Das bestätigt der Historiker und Burma-Experte Georg Bauer. „Sie ist noch heute sehr beliebt und wegen des Fortschritts in guter Erinnerung, als die Feudalherrschaft aufgelöst wurde. Das sahen Feudalherren und Militärs nicht gern. Ihr Mann und sie haben viel für die Entwicklung getan. Und sie sprach fließend Shan und Burmesisch.“ In vielen Häusern der Hsipaw hängen Schwarz-Weiß-Fotos des einstigen Herrscherpaars, und ihr Buch und der Film wurden ins Land geschmuggelt. Fast ein wenig bedauernd konstatiert Bauer: „In Burma ist sie bekannter als in Österreich.“

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