Clemens J. Setz
Literatur

Clemens J. Setz: Die Sonne ist nicht größer als ein Apfel

Wenn die Verweigerung der Wirklichkeit das eigene Leben und das der Familie zerstört: Clemens J. Setz spürt in „Monde vor der Landung“ einem Mann nach, der die Hohlwelttheorie verbreitete.

Nichts ist so frei wie Monde vor der Landung. In der Mitte des Kosmos bilden sie sich wie Blasen, zerplatzen auf der Innenseite unserer Erdkugel und bringen Neues. Was wohl in dem Mond steckt, den wir gerade sehen?

Verschwörungserzählungen und Geheimbünde: Clemens Setz hat nicht nur Interesse daran, sondern auch die Sprache dafür. Das bisschen Plausibilität, das nötig ist, um aus haarsträubendem Blödsinn eine immerhin mögliche Theorie zu machen, sickert zwischen den Zeilen dieses Romans hervor und gibt ein sattes, geradezu anheimelndes Schmatzgeräusch beim Gehen über den Erzählteppich. Einen Protagonisten wie Peter Bender kann sich nur jemand ausdenken, der sich die Welt animiert vorstellt und den Einbruch der Wirklichkeit der anderen in die eigene gelegentlich mit „Frechheit“ kommentiert.

Wir lernen Bender 1920 in Worms kennen, wo er den Mitgliedern der von ihm gegründeten „Wormser Menschengemeinde“ in seinem Vortrag von der Quadratform der Liebe und der „korrespondierenden raumzeitlichen Kreisform aller irdischen Vorgänge“ erzählt. Aber er schweift ab, denn er ist wütend. Wütend über die Obrigkeit, seine aufsässige Geliebte und seine beiden schreienden Kinder zu Hause. Und dann scheint ihm auch noch die Sonne ins Gesicht. Bender extemporiert, und am Ende seiner Ausführungen steht die Erkenntnis, dass die Grippe-Epidemie von 1918 durch die Sonnenflecken verursacht wurde. Das ist seine diskursive Rache und zugleich das Prinzip, mit dem er sich durch die Konstruktion alternativer Wahrheiten gegen die Zumutungen des Lebens wehrt.

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