1932 - 2023

Er wühlte wild im Unbewussten Spaniens

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FILES-SPAIN-CINEMA-DEATH-SAURA(c) APA/AFP (TOBIAS SCHWARZ)
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Carlos Saura war einer der bedeutendsten spanischen Nachkriegsfilmer. Nun ist er 91-jährig gestorben.

Eine Frau, die das Anwesen eines unheimlichen Familienclans in Kastilien auf Nimmerwiedersehen verlassen will, wird auf ihrem Weg durch trockenes Gestrüpp von den drei Söhnen der Sippschaft überfallen. Sie reißen sie mit Gewalt zu Boden, vergewaltigen sie, scheren ihr Haar. Dann schießt einer der drei der um Gnade Flehenden mitleidlos mit einer Pistole in den Kopf. Als sie tot umfällt, verharrt der Kamerablick lang auf ihrem leidensverzerrten Gesicht. Ende.

So schließt „Ana y los lobos“, ein 1973 im Cannes-Wettbewerb uraufgeführter Film von Carlos Saura. Schönfärberei und Sentimentalität war des Regisseurs Sache nicht: Er blickte den Schattenseiten, den brutalen Verwerfungen und verdrängten Verbrechen seines Landes mit Vorliebe unverwandt in ihr oft unansehnliches Antlitz. Und schonte dabei auch sein Publikum nicht. Diese Strategie war für Saura lang künstlerisch-politisches Prinzip. Der Kultur des Totschweigens, die sich während des Franquismus auf der iberischen Halbinsel etabliert hatte (und von der die Kindheit und Jugend des produktiven Autorenfilmers stark geprägt war), wollte er ein unverblümtes Kino der Wahrheit, Schönheit, Grausamkeit entgegenhalten.

Diese widerständige Einstellung adelte Saura früh zum zentralen spanischen Vertreter der europaweit losbrechenden „Neuen Wellen“ im Kino der 1960er. Sein Frühwerk, etwa das rohe Madrider Elendsviertelporträt „Los golfos“ (1960), orientierte sich dabei noch stark am italienischen Neorealismus. Inspiriert von seinem Freund und Vorbild Luis Buñuel setzte er in späteren Spielfilmen immer mehr auf surrealistische Stilmittel, mit denen er die bürgerlichen Fassaden des Franco-Faschismus niederriss.

Dafür geriet er oft mit der Zensur aneinander. Bei internationalen Festivals, etwa bei der Berlinale, wurden seine Werke dennoch regelmäßig ausgezeichnet: Immer wieder stellte Saura fest, dass er im Ausland „viel bekannter und beliebter“ sei als in seiner Heimat.

Tanz- und Musikfilme

Einer langen und reichhaltigen Karriere stand das nicht im Weg: Seit 1955 drehte Saura über 50 Spielfilme und etliche kürzere Arbeiten. Immer widmete er sich in diesen auch Musik und Tanz, seinen großen Leidenschaften. Eines seiner bekanntesten Werke ist eine Flamenco-satte Adaption von George Bizets Oper „Carmen“. Auch Tango, Fado und Jota-Tanz würdigte er mit bewegten Bildern. Mit „Goya in Bordeaux“ setzte er zudem einem von Spaniens größten Malern ein Denkmal.

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