Die größte Stadt im deutschsprachigen Raum wird gern als unregierbar beschrieben. Diesen Sonntag findet die kuriose Wahlwiederholung statt, eine Erschütterung deutet sich an: Nach mehr als 20 Jahren an der Macht müssen die Sozialdemokraten um den ersten Platz fürchten. Aber wäre mit einem neuen Bürgermeister auch wirklich alles anders?
Wer lang genug in Berlin lebt, kann eine Anekdote über das Bürgeramt erzählen. Jene von Lorenz Maroldt geht so: Seine Tochter ist 18 Jahre alt geworden und wollte sich einen Führerschein ausstellen lassen. Ihr Personalausweis war abgelaufen. Der Vater versuchte über Wochen, gar Monate, einen Termin zu bekommen.
Unmöglich. Er rief beim Bürgertelefon an. „Wir haben keine Termine“, sagte der Mann am Apparat. Wegen der Wahlwiederholung hatte sich die Stadtverwaltung entschlossen, einfach mehrere Ämter zu schließen. Die Mitarbeiter wurden abkommandiert, damit diesmal auch sicher alles klappt. „Lesen Sie denn keine Zeitung?“
Lorenz Maroldt liest nicht nur Zeitung, er macht selbst eine. Der 61-Jährige ist Chefredakteur des Hauptstadtblatts „Tagesspiegel“. Seit Anfang der Achtzigerjahre lebt er in Berlin. Er kennt Sonne wie Schatten in der einzigen Metropole Deutschlands, die über die Jahre auf rund 3,8 Millionen Bewohner angewachsen ist.