Die Künstlerin Nan Goldin (vorne Mitte) überwand ihre Sucht und startete eine Kampagne gegen die Familie Sackler.
Opioidkrise

Wie Millionen Amerikaner drogensüchtig wurden

Es ist eine Geschichte von Schamlosigkeit und systemischem Versagen: Die Unternehmerfamilie Sackler verkaufte mit kaltschnäuziger Profitgier ein süchtig machendes Medikament und häufte ein Milliardenvermögen an. Die Lektüre einer preisgekrönten Reportage macht fassungslos.

Wie oft haben wir über den Aberglauben und die Feigheit der mittelalterlichen Barone gespottet, die glaubten, indem sie die Kirche mit Ländereien beschenkten, könnten sie ihre Überfälle und Plünderungen vergessen machen. Die Kapitalisten nun hängen offenbar demselben Glauben an.“ Und das mit noch mehr Erfolg, meinte Gilbert K. Chesterton vor mehr als hundert Jahren. Das 20. Jahrhundert bot dafür eine Reihe von Beispielen. Es ist zugleich die Geschichte des amerikanischen Kapitalismus. Zum Beispiel die, wie eine kaltschnäuzig agierende Familiendynastie mit dem Verkauf eines süchtig machenden Medikaments Milliarden verdiente und die USA in eine schwere Gesundheitskrise mit etwa 500.000 Todesopfern stürzte.

Die genauen Hintergründe rund um den amerikanischen Pharmakonzern Purdue, der das dafür verantwortliche Schmerzmittel OxyContin auf den Markt brachte, erzählte der renommierte New Yorker Investigativjournalist Patrick Radden Keefe in seinem preisgekrönten Buch „Imperium der Schmerzen“. Es ist eine meisterhaft geschriebene Reportage, die beim Leser Entsetzen auslöst, über maßlose Profitgier und Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden, auf dem eines der größten Familienvermögen der Welt beruhte.

Denn dieses Buch über einen verheerenden Arzneimittelskandal liefert uns Gesichter und Verantwortliche. Es ist zugleich eine minutiös durchleuchtete Familiengeschichte über vier Generationen, die der Familie Sackler. Sie hat alle Merkmale, die wir aus der Romanliteratur kennen, Aufstieg, Hybris und Fall einer Dynastie mit barock anmutendem Privatleben und erbitterten, mit machiavellistischen Methoden ausgetragenen Kämpfen um Vermögen, Reputation und Einfluss. Keefes Buch wurde daher auch schon mit Thomas Manns „Buddenbrooks“ verglichen. Der große Unterschied freilich: Es steht mit Ausnahme einiger atmosphärischer Ausschmückungen nichts in dem Buch, das nicht Ergebnis jahrelanger gründlicher Recherchen ist.

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