ESG-Kriterien

Aktualisiertes Rating: So nachhaltig sind die Länder der Welt

Nicht nur Unternehmen, auch Staaten können anhand von Nachhaltigkeitskriterien bewertet werden. Eine Wiener Research-Agentur hat ein Modell entwickelt, das einen Großteil der Welt abdeckt. Schweden führt die aktuelle Reihung an, Österreich schafft es auf den zehnten Rang.

Wien. So sehr die steigenden Zinsen Kreditnehmer belasten – für Anleger haben sie auch positive Seiten, speziell für solche, die festverzinsliche Anlageformen suchen. „Staatsanleihen erzielen wieder eine Basisrendite, sie werden damit als Geldanlage wieder relevant“, sagt Reinhard Friesenbichler, Geschäftsführer der auf Nachhaltigkeit fokussierten Research-Agentur RFU, zur „Presse“.

Zugleich werden auch ESG-Kriterien immer wichtiger. ESG steht für Environmental, Social, Governance – Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmens- oder Staatsführung. Immer mehr Anleger orientieren sich daran, institutionelle Investoren, etwa Pensionskassen, machen es sich teilweise zur Pflicht. Und die EU versucht, durch Regularien verbindliche Kriterien für nachhaltige Geldanlagen zu schaffen. Noch ist es freilich nicht so weit – wohl aber gibt es Ratings und Gütesiegel, die Orientierungshilfen schaffen. Für Staaten hat RFU ein Rating entwickelt, das auf über 100 Kriterien aus den Bereichen Soziales, Umwelt und Ökonomie beruht und 163 Länder abdeckt. „Umgelegt auf die Bevölkerung entspricht es 98 Prozent der Welt“, sagt Friesenbichler.

Österreich auf Rang zehn

Eine aktualisierte Auswertung liegt nun vor. Spitzenreiter Schweden hat es demnach – als einziges der untersuchten Länder – auf eine Gesamtbewertung von A- gebracht. Österreich liegt mit einer Bewertung von B+ auf Rang zehn. Besser sei Österreich damit nicht geworden, sagt Friesenbichler. So sei „die Klimapolitik nicht wirklich ambitioniert“, aber auch beim Kriterium Antikorruption erweist sich die Alpenrepublik keineswegs als Musterschüler: In dieser Subkategorie reichte es nur für Rang 22.

Und wie schafft es andererseits ein Land wie Costa Rica auf den sehr guten achten Rang? Laut den RFU-Experten liegt das vor allem an der relativ hohen Biodiversität, aber auch daran, dass Costa Rica sich entschlossen habe, auf ein stehendes Heer zu verzichten. Stattdessen fließen dort jetzt erheblich mehr Budgetmittel in die Bildung. Das brachte dem Land im Teilaspekt „Bildung“ eine relativ gute Bewertung ein.

Das Modell sei wissenschaftlich fundiert und ausgereift, sagt Friesenbichler. Bei den soziologischen und ökonomischen Nachhaltigkeitskriterien wird bewertet, inwieweit verschiedene Bedürfnisse der Bevölkerung erfüllt oder aber konterkariert werden. Die ökologische Komponente orientiert sich an „planetary boundaries“ – dabei geht es um die Frage, inwieweit Belastungsgrenzen erreicht oder sogar überschritten werden. Zum Beispiel das Ozonloch stelle demnach kein gravierendes Problem mehr dar, „das ist gelöst“, sagt Friesenbichler. Eine starke Überlastung bestehe dagegen beim Kriterium Klimawandel und durch den Verlust von Biodiversität. Wichtig sei es auch, zwischen der „Production based“- und der „Consumption based“-Perspektive zu unterscheiden: Umweltschäden werden demnach auch jenen Ländern zugerechnet, die diese durch ihren hohen Konsum auslösen, und nicht nur jenen, in denen die unmittelbaren Auswirkungen durch Rohstoffgewinnung und Produktion sichtbar werden. Durch die starke Konsumlastigkeit landete etwa Luxemburg auf dem relativ schwachen 32. Platz.

Kleine Länder im Vorteil

Der Globus insgesamt kommt auf Basis dieses Modells auf einen Durchschnittswert, der leicht im Minus liegt (-0,6). Nach Bevölkerung gewichtet verschlechtert sich der Wert auf -1,8. Laut Friesenbichler liegt das vor allem daran, dass fast 40 Prozent der Bevölkerung auf China und Indien entfallen – und damit auf Länder mit schwachem Rating (wobei Indien aber deutlich besser abschneidet als China). Überhaupt seien sehr große Länder tendenziell weiter hinten in der Reihung zu finden und kleine eher weiter vorn. Woran das liegt? Laut Friesenbichler sei das ein Punkt, der noch erforscht werden muss. (cka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2023)

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