Interview

Ingo Arndt: "Es lohnt sich finanziell nicht, für ,Geo‘ zu fotografieren"

Ingo Arndt
Ingo Arndt [ Arndt ]
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Seit mehr als 30 Jahre ist Ingo Arndt weltweit unterwegs, um Tiere und Landschaften zu fotografieren. Ein Gespräch über Pumas, Instagram als Belastung, über lange Fußmärsche und den schwindenden Markt der Magazine.

Die Presse: An welchem Fotoprojekt arbeiten Sie aktuell?

Ingo Arndt: Ich habe im vergangenen Jahr vor allem Bienen gefilmt, die wild im Wald leben, beispielsweise in leeren Schwarzspecht-Höhlen. Das war mehr oder weniger die Fortsetzung eines Projekts, das ich für „National Geographic“ fotografiert habe.


Das ist weit weg von Ihrem Projekt über Pumas in Südamerika.

Ja, die Pumas waren so etwas wie mein Lebensprojekt. Die Kombination aus diesem Tier in dieser Landschaft ist schwer zu überbieten. Wir waren insgesamt sieben Monate in Patagonien unterwegs, um Pumas zu fotografieren, das war unglaublich aufwendig. Man braucht zwei Guides, zwei Geländewagen, damit man flexibel ist, ein Team mit einem Koch, ein kleines Basislager.

Wie finanziert man das?

Aus der eigenen Tasche war das gesamte Projekt nicht zu finanzieren, die Kosten beliefen sich auf etwa 1000 Dollar am Tag. Ich habe mit „National Geographic“ in Washington verhandelt, die sehr interessiert waren, weil es kaum Aufnahmen gab, die das Verhalten des Pumas in freier Wildbahn zeigten. Sie haben sich bereit erklärt, das Projekt zur Hälfte zu finanzieren. Für die andere Hälfte bin ich auf die Idee gekommen, beim Sportartikelhersteller Puma anzufragen. Der Marketingchef dort war sehr offen, und ich hatte das Glück, dass einer der Senior Advisors von Puma selbst Hobby- und Naturfotograf ist. Er hat mich gekannt, das hat es leichter gemacht. Puma hat mir dann ungefähr das Äquivalent des Sponsorings für einen Leichtathleten für ein Jahr gegeben.


Wie stellt man sich das vor, wenn Sie wochenlang bei den Pumas unterwegs sind?

Es war nicht einfach und auch körperlich sehr anstrengend. Wir sind jeden Morgen lang vor Sonnenaufgang auf der Suche nach Pumas aufgebrochen, an manchen Tagen sind wir 20 Kilometer mit der schweren Fotoausrüstung durch die wilde Landschaft marschiert. Es war oft eiskalt, wir konnten die Unterkunft kaum heizen, das Wasser ist ständig eingefroren. Aber so arbeite ich am liebsten: draußen zu sein in der Natur, zu schwitzen und zu frieren. Wenn man das in so einer Landschaft mit solchen Tieren erleben kann – das ist das Beste, was es gibt.


Da scheint das Fotografieren der Bienen im Wald im Vergleich wie ein Urlaub.

Es ist auf eine andere Art aufwendig und mühsam. Man muss sich ständig stechen lassen, sitzt bei 35 Grad stundenlang in einer Beobachtungshütte. Es war eine andere Art des Arbeitens als mit den Pumas. Noch einmal ein solches Projekt wäre nur schwer zu finanzieren gewesen. Aber auch über wild lebende Bienen gab es kaum Foto- und Filmmaterial, auch daraus wurde wieder eine Geschichte für „National Geographic“ und jetzt eben auch eine Dokumentation für TerraX und Netflix.


Ist Filmen eine neue Leidenschaft oder eine wirtschaftliche Notwendigkeit?

Es ist auf jeden Fall besser bezahlt, die Budgets sind größer. Das Filmen macht mir Spaß, aber die Fotografie liebe ich. Es ist ein Unterschied, ob man ein Bewegtbild macht oder ob man auf das eine Foto hinarbeitet, auf eine perfekte Aufnahme, die im richtigen Augenblick beim richtigen Licht entsteht.

Kann man sich das stunden- und tagelange Warten und das Hinarbeiten auf das perfekte Foto heutzutage noch leisten?

Na ja, es gibt Grenzen, wo man sagt: Jetzt muss es reichen. Aber ich versuche, die Latte sehr hoch zu legen. Wenn ich einen Auftrag eines Magazins hatte, habe ich nie zu arbeiten aufgehört, wenn das Budget zu Ende ging. Ich habe fast immer das gesamte Budget aufgebraucht und versucht, mit den daraus folgenden Büchern oder Ausstellungen Geld zu verdienen. Das Copyright für die Fotos bleibt ja immer bei mir, das ist wichtig.


Wie hat sich das Geschäft des Naturfotografen in den vergangenen Jahren verändert?

Sehr stark. Man merkt es bei den Honoraren, die massiv gesunken sind. Ich habe früher beispielsweise viel für das deutsche Magazin „Geo“ fotografiert. Jetzt lohnt es sich nicht mehr, für „Geo“ zu fotografieren, weil die Honorare so gering sind. Aktuell wird ein Bruchteil von dem bezahlt, was ich einst bezahlt bekommen habe. Die Auflagen gehen zurück, die Magazine müssen sparen, und das machen sie eben unter anderem bei den Fotografen. Wenn ich auf meine Agenturabrechnung schaue, denke ich mir, hätte ich vor 20 Jahren so viele Bilder verkauft, wäre ich reich. Aber heute muss man sich teilweise mit 1,25 Euro für eine Veröffentlichung begnügen. Die goldenen Zeiten der Naturfotografie sind vorbei.


Woher kommen heute Ihre Einnahmen?

Der redaktionelle Bereich macht vielleicht noch 20 Prozent aus. Die Bücher etwa zehn Prozent, der Rest kommt von Ausstellungen und dem Verkauf meiner Bilder über den Kunstmarkt. Das ist ein relativ neuer Bereich, ich habe eine Galerie, Smith Davidson in Amsterdam, die meine Bilder verkauft. Auf dem Kunstmarkt bekommt man für ein Foto ein paar Tausend Euro.

Was hat sich eigentlich besser verkauft: das Buch über die Pumas oder das über die Bienen?

Das über die Bienen. Das Puma-Buch ist okay gelaufen, ich habe sehr gute Kritiken dafür bekommen und auch sehr gutes Feedback von Kollegen. Aber die Bienen . . . In Deutschland gibt es 150.000 Imker, das ist ein recht großes Publikum. Und Bücher über wild lebende Bienen gibt es wenige, da waren auch für erfahrene Imker viele neue Details drinnen, wir haben viele Szenen fotografiert, die man bisher nicht gekannt hat.


Wie sehr haben Sie sich vorbereitet? Liest man dafür Dutzende Bücher?

Professor Jürgen Tautz, mit dem ich das Buch gemacht habe und der die Texte geschrieben hat, hat mir gesagt: Lies bitte vorher gar nichts. Er wollte nicht, dass ich voreingenommen an die Sache herangehe, sondern dass ich einfach nur beobachte und fotografiere. Also bin ich so unvorbereitet wie möglich zu den Bienen gegangen. Bei den Pumas war das anders, da muss man sich einlesen und vorbereiten. Manche glauben, mit einer tollen Ausrüstung und vielleicht noch guten Photoshop-Kenntnissen kann man gute Fotos machen. Aber das ist nicht so, und Bilder zu manipulieren ist für mich absolut tabu. Als Tierfotograf muss man das Tier, das man fotografiert, und sein Verhalten sehr gut kennen, nur so kann man auch gute Fotos machen.


Wie schwer ist es heutzutage, Menschen mit Fotos noch zu beeindrucken, wenn schon so viel fotografiert ist und man auf Knopfdruck auf Instagram und YouTube die beeindruckendsten Fotos und Videos findet?

Man kann Menschen schon noch beeindrucken, es ist aber auf jeden Fall schwieriger geworden. Die Frage bei den Fotos im Internet ist ja immer, ob sie auch echt sind. Ein Verleger hat mir ein recht beeindruckendes Foto geschickt, auf dem zwölf, 13 Pumas zu sehen sind. Wenn man sich das Bild genauer anschaut, sieht man, dass es verschiedene Schärfeebenen gibt – dass die Fotos der einzelnen Pumas also zusammenkopiert sind. Aber wenn jemand da schnell am Handy durchwischt, fällt es nicht auf – und man ist beeindruckt von dem Bild. Mit so etwas muss man sich messen, und das ist eben schwierig, wenn man ehrlich arbeitet und fotografiert.


Sind Sie in den sozialen Medien aktiv?

Nein, gar nicht. Ich habe es bei meinem Projekt über die Pumas probiert und immer wieder auf Instagram Fotos gepostet. Bis mir meine Frau gesagt hat: Das musst du aufhören. Ich habe viel Zeit am Handy verbracht, habe sofort geschaut, wie viele Leute reagiert haben, wer etwas kommentiert hat, habe mich dann vielleicht noch geärgert über manche Postings. Die Fotos bekamen in den drei Wochen, in denen ich sehr aktiv war, Tausende Likes. Aber interessant war, dass sich daraus wirtschaftlich nichts ergeben hat – keiner von denen, die die Fotos gelikt haben, hat um ein Buch angefragt oder um einen Print. Ich habe dann mit Instagram aufgehört. Ich habe eine Webseite (www.ingoarndt.com), auf der ich regelmäßig etwas veröffentliche. Das reicht.


Mit welchen Kameras und Objektiven arbeiten Sie?

Ich fotografiere meistens mit Kameras und Objektiven von Canon, bisher mit digitalen Spiegelreflexkameras, mittlerweile mit den modernen spiegellosen Kameras. Für den Kunstmarkt, wo extrem große Bilder angeboten werden, habe ich mir gerade eine digitale Mittelformat-Kamera von Fujifilm zugelegt.


Hat es die Technik leichter gemacht, gute Fotos zu machen?

An erster Stelle steht natürlich noch immer der Fotograf. Aber es ist schon sehr beeindruckend, wie wenig man technisch können muss, um heutzutage gute Fotos zu machen. Als ich vor mehr als 30 Jahren angefangen habe, musste man noch händisch scharfstellen, ich habe auf Diafilm fotografiert, da musste die Belichtung exakt passen, bei schlechtem Licht war es schwierig bis unmöglich, gute Fotos zu machen. Heute stellt der Autofokus der Kamera automatisch auf das Auge des Tieres scharf, und man kann auch bei schlechtem Licht noch fotografieren. Die Technik hat das Fotografieren schon bedeutend einfacher gemacht.


Würde Geld keine Rolle spielen, was würden Sie gern fotografieren? Der Schneeleopard gilt doch als eine Art Heiliger Gral der Naturfotografen.

Zur Person

Ja, vermutlich wäre es ein Projekt über den Schneeleoparden.Ingo Arndt, geboren 1968 in Frankfurt am Main, ist ein international renommierter Natur- und Tierfotograf. Seit 1992 arbeitet er professionell und hat für seine Arbeiten zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter mehrere Kategoriesiege beim britischen Wildlife Photographer of the Year. Arndt fotografiert für Magazine wie „Geo“, „National Geographic“ und „BBC Wildlife“ und hat bisher 21 Bücher veröffentlicht. Seine

Website: www.ingoarndt.com

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