Buch der Woche

Der Alltag ist ein Anschlag auf die Liebe

In der DDR aufgewachsen und sozialisiert: Julia Schoch, geboren 1974.
In der DDR aufgewachsen und sozialisiert: Julia Schoch, geboren 1974. imago images/Sabine Gudath
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Julia Schochs Roman „Das Liebespaar des Jahrhunderts“, nüchtern und reflektierend erzählt, ist eine Antithese zur aktuellen Kränkungs- und Erregungsliteratur.

Von allem, was an Autofiktion derzeit geschrieben ist, ist Julia Schochs Trilogie „Biographie einer Frau“ vielleicht etwas vom Interessantesten, weil es den Versuch unternimmt, das Leben eines Ichs über seine wichtigsten Beziehungen darzustellen und allein dem Titel nach („Biographie einer Frau“) den Anspruch erhebt, über das rein Subjektive hinauszugehen und in der Darstellung eines individuellen Frauenlebens etwas Allgemeingültiges zu entdecken. Bezog sich der erste Teil „Das Vorkommnis“ mehr auf Herkunft und Stammfamilie, geht es im zweiten Buch „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ nun um die lebensbestimmende Mann-Frau-Beziehung der Ich-Erzählerin, die augenscheinliche Parallelen zur Autorin Julia Schoch, Jahrgang 1974 und in der DDR sozialisiert, aufweist. Und so ist der 191 Seiten umfassende Text sowohl Liebesroman als auch Lebensbericht, weil die Liebe die Biografie der Frau, um die es geht, fundamental bestimmt – wodurch die Frau, die hier erzählt, aber keineswegs unemanzipiert erscheint, das sei vorweg gleich klargestellt.

Verliebt mit Vanilletee

Die Liebe, deren Beschreibung den Kern des Romans bildet, ist die Liebe zu dem Mann, in den sich die Ich-Erzählerin als Studentin Anfang der 1990er-Jahre verliebt, der der Vater ihrer beiden Kinder wird, und mit dem sie über dreißig Jahre lang, bis zum Zeitpunkt, in dem der Text fertiggestellt wird, zusammenbleibt. Aber die Frau war dabei offenbar nicht immer glücklich, ja, womöglich hat sich über all die Jahre im Gegenteil sehr viel Unglück aufgestaut, zumindest legen das die ersten beiden Sätze des Romans nahe: „Im Grunde ist es ganz einfach. Ich verlasse dich.“ Die Frau möchte also gehen, wollte sich schon immer wieder aus dieser Beziehung verabschieden, so erfährt man nach und nach, während die Liebesgeschichte des Paares von ihrem Anfang an – seinem Erscheinen vor ihrer Wohnungstür mit einer Packung Vanilletee im Sommer – chronologisch in der Erinnerung der Ich-Erzählerin aufgerollt wird. Und bis zum Ende des Romans macht das auch sein Spannungsmoment aus: Geht sie am Ende, oder geht sie nicht?

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