Wohnraum

Altbau mit neuem Balkon entwickelt sich zum Must-have

Raumbildende Elemente in gründerzeitlicher Struktur: in der Hetzgasse in 1030 Wien.
Raumbildende Elemente in gründerzeitlicher Struktur: in der Hetzgasse in 1030 Wien.Crownd Estates
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Immer mehr Grundrisse von Stilaltbauten erfüllen den steigenden Bedarf an Außenfläche, die Raumhöhe bleibt dabei unantastbar.

Die schwere Entscheidung Altbau oder Außenfläche kann man sich immer öfter ersparen, so denn das passende Budget dafür da ist. „Wenn das vor der Pandemie noch ein Nice-to-have war, gehört der Balkon heute oft zu den Must-haves“, berichtet Irene Rief-Hauser, Inhaberin von Feine Immobilien. Julia Kneussl, Geschäftsführerin von Crownd Estates, stellt ebenfalls einen massiv gestiegenen Bedarf fest und trägt diesem mit den Grundrissen in den Projekten Rechnung. „Wir stecken unsere Wohnungen fast immer durch“, erklärt sie.

Zeitgemäßer Altbau: Balkon im Innenhof, Fensterfront an der Straßenseite

Das bedeutet, dass jede Einheit Räume sowohl zur Straßenseite als auch zum Innenhof hat, denn die begehrten Balkone können aus baurechtlichen Gründen nur hinten angefügt werden. Einerseits, um nicht über den Gehsteig zu ragen, und andererseits, um die Fassaden zu erhalten.

Denn mit der Freifläche kommen nicht nur luftige Quadratmeter hinzu, sondern auch Elemente wie bodentiefe Fenster, die durchaus massive Eingriffe in das Raumgefüge sowie das Äußere der Gründerzeithäuser darstellen. Und das in einem Bereich, in dem Käufer für den Charme der Vergangenheit zahlen: Begriffe wie „original erhalten“ oder „mit Respekt vor der Substanz saniert“ finden sich in jeder Projektbeschreibung.

Wobei hier fein zu unterscheiden wäre, wie die Entwicklerin betont, natürlich sei man bemüht, immer so behutsam wie möglich vorzugehen – trotz allem stelle es einen enormen Eingriff dar. „Und man kann auch nicht krampfhaft in Gründerzeitobjekten bleiben, wenn sich die Gesellschaft verändert hat. Übernommen wird das, was die Identität ausmacht.“

Wunsch nach Zonierungen durch Altbau-Flügeltüren wird wieder größer

Bewohnt man nicht gerade eine 200-Quadratmeter-Wohnung, haben Raum-an-Raum-Konzepte mit 35 Quadratmeter großen Wohnzimmern und einer dunklen Küche ganz hinten – wo früher die Frau oder das Personal werkte – „natürlich keinen Sinn mehr“, weiß Kneussl. Allerdings müsse man zeitlich gar nicht allzu weit zurückblicken.

Neulinggasse 1030.
Neulinggasse 1030.Feine Immobilien

Die Bedürfnisse etwa bei der Küche erneuern sich relativ rasch: „Vor zehn Jahren wollte man noch einen ganz offenen Wohnraum mit Küche, jetzt wünscht man sich schon wieder mehr Zonierungen, etwa durch eine Flügeltür dazwischen, die man auch schließen kann, wenn der eine kochen und der andere fernschauen möchte.“

Anders als die Grundrisse zählen die Raumhöhen zum Unantastbaren in den Stilaltbauten. Wobei hier kein Zentimeter hergegeben wird, wie Rief-Hauser berichtet: „Dies ist absolut wichtig, denn wenn es keine hohen Decken gibt, ist es nur ein alter, aber kein echter Altbau“, bringt sie es auf den Punkt. Bei anderen Klassikern, wie etwa dem Stuck, seien die Käufer eher bereit, Kompromisse zu machen, weil man diesen relativ leicht nachrüsten könne. Zu den Details, die wenn irgend möglich erhalten oder sonst sorgfältig restauriert werden, gehören laut Kneussl Holzkastenfenster, Altwiener Türen, Fischgrät- und anderes Parkett, Mauerfriese, Sockelleisten und Hohlkehlen.

Neue Tapetentüren erhalten „hierarchische“ Beschläge

Außerdem natürlich die passenden Beschläge dort, wo sie sinnvoll sind. Und das sind sie nicht überall, wie die Designerin und Entwicklerin betont. „Selbstverständlich bekommt eine Altwiener Tür – egal, ob Flügeltür oder nicht – auch einen entsprechenden Beschlag. Aber wenn Wände eingezogen werden, bekommen diese eine schlichte Tapetentür mit einem Beschlag, der möglichst unauffällig ist und sich hierarchisch unterordnet“, erklärt sie.

Darüber hinaus spielen das passende Entree und eine schöne Fassade eine wichtige Rolle, so Rief-Hauser. „Aber einem Altbau verzeiht man eher kleine Schwächen. Wenn es diesen besonderen Charme gibt, ist es manchmal auch in Ordnung, wenn die Fenster nicht tippitoppi sind“, so die Maklerin. „Aber die Ansprüche werden hier immer höher.“

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>> Der kleine Schönheitsfehler bei den Altbauten

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2023)

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