Worte der Woche

Extreme Standorte

Es gibt praktisch keinen Ort auf der Erde, wo kein Leben gedeiht – selbst in so extremen Standorten wie etwa in Gesteinen oder sogar in Erdöllagerstätten.

Es ist beinah unglaublich, wo überall Leben gedeiht – nicht nur auf und im Boden, in Gewässern, auf Gletschern, in Wüsten und den Weltmeeren, sondern auch an wirklich extremen Standorten: Welch immense Vielfalt z. B. im Meeresboden oder sogar in Gesteinen herrscht, entdeckt die Wissenschaft erst nach und nach. Denn: Die allermeisten Arten von Mikroorganismen lassen sich im Labor nicht heranzüchten und dadurch bestimmen. Ein Nachweis ist nur durch moderne genetische Methoden möglich. Und diese sorgen nun immer wieder für Staunen.

Ein Beispiel: Eine internationale Forschendengruppe um Armando Azua-Bustos hat Gesteine in einem Schwemmkegel in der Atacama-Wüste untersucht, der vor rund 100 Mio. Jahren entstanden und seither staubtrocken ist. Sie taten dies, um Geräte zu testen, die auf dem Mars (wo es ähnliche Gesteine gibt) nach Spuren von Leben suchen sollen. Dabei zeigte sich, dass ein Gramm Gestein rund ein Mikrogramm DNA enthält. Der Großteil der Mikroorganismen, von denen diese Erbsubstanz stammt, ist heute unbekannt – sie dürften also aus jener Zeit kommen, als die Sedimente vom seinerzeitigen Fluss angeschwemmt worden waren, bevor diese zu Sandstein verfestigt wurden (Nature Communications, 21. 2.).

Szenenwechsel – in die Tiefsee: Chinesische Forschende um Xiyang Dong fanden in kalten Quellen am Meeresgrund mehr als 1200 Arten von Mikroorganismen, die trotz Dunkelheit, eisiger Kälte und hohen Drucks gedeihen; sie gewinnen ihre Energie aus Methan und Sulfat, das sich im Quellwasser befindet. Sowohl die Arten- als auch die Individuenzahl ist um ein Vielfaches höher als im umliegenden Meerwasser und Meeresboden (Nature Communications, 28. 2.).

Leben findet sich selbst in geologischen Formationen, wo man dies niemals vermuten würde. So z. B. auch in vielen Erdöllagerstätten. Kanadische Forscher um Daniel Gittins fanden in Ölproben fast 2500 Mikroorganismen-Arten – offenbar Relikte aus jener Epoche, als Meereslebewesen auf den Meeresgrund absanken, von Sedimenten bedeckt wurden und dann in tieferen Schichten der Erdkruste zu Erdöl umgewandelt wurden (mSystems, 14. 2.).Was besonders erstaunlich ist: Viele dieser Organismen leben auch heute, nach Jahrmillionen Isolation unter Tausenden Metern Gestein, noch. Durch ihre Stoffwechselaktivitäten verändert sich mit der Zeit die Zusammensetzung des Erdöls.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2023)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.