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"Feminism WTF": Propaganda – und stolz darauf!

Gedreht wurde „Feminism WTF“ in einem leer stehenden Bürogebäude in Liesing. Im Film erscheint es als ein Ort utopischer, poppiger Selbstverwirklichung.
Gedreht wurde „Feminism WTF“ in einem leer stehenden Bürogebäude in Liesing. Im Film erscheint es als ein Ort utopischer, poppiger Selbstverwirklichung.(c) Stadtkino
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Katharina Mückstein rührte die heimische Filmszene mit Kritik an Übergriffen auf. Jetzt legt sie eine Agitprop-Doku nach: „Feminism WTF“ ist zugleich knallig und kopflastig.

Feminismus – was ist das eigentlich? Früher, so die (vermutlich vereinfachte) Vorstellung, konnte man diese Frage noch halbwegs klar und eindeutig beantworten: Feminismus, das ist der Leitgedanke einer sozialen Bewegung, die sich weltweit für die Rechte der Frauen einsetzt. So weit, so unkompliziert. Heute jedoch würden viele, die sich selbst als Feministinnen und Feministen bezeichnen, einer solchen Begriffsbildung widersprechen – weil sie die vielen Facetten, Nuancen und widersprüchlichen Positionen der Frauenbewegung verkennt.

Als monolithischen Ismus scheint es diese ohnehin nicht mehr zu geben. Stattdessen ist in der Theorie (und zum Teil auch in der Praxis) immer öfter von „Feminismen“ die Rede. Die sind sich bei Weitem nicht immer eins, eher im Gegenteil. Ist man Vertreterin oder Anhängerin der ersten, zweiten, dritten oder vierten Welle, wie die jeweiligen historischen „Entwicklungsstufen“ der feministischen Idee genannt werden? Hält frau es eher mit Alice Schwarzer oder mit Judith Butler? Und: Wer hat überhaupt das Recht, sich „Frau“ zu nennen? Nur die Menschen, die von Natur aus Kinder gebären können? Oder auch solche, die sich dem weiblichen Geschlecht identitär zugehörig fühlen? Hat sich Feminismus ausschließlich mit dem zu beschäftigen, was dereinst „Frauenfrage“ genannt wurde? Oder muss er nicht vielmehr auch die Männerwelt und ihre Probleme in den Blick nehmen, um diese für die Sache der Gleichberechtigung zu gewinnen?

Mitten in dieses konflikthafte Perspektivengewirr donnert nun „Feminism WTF“, der neue Film der 41-jährigen Wienerin Katharina Mückstein. Am Freitag feiert er bei der Diagonale in Graz Premiere, eine Woche darauf läuft er bundesweit in den Kinos an. Das „WTF“ im Titel steht dabei für den englischen – und längst auch denglischen – Vulgärausdruck „What the Fuck“: ein Ausruf empörter Verwunderung, der Klärung verlangt, im Geiste von „Was zur Hölle?“. „What the Fuck“ also zeitgenössischer Feminismus ist oder nicht ist, was er sein will und sein könnte: All das möchte Mückstein mit ihrem neuen Dokumentarfilm wenn schon nicht beantworten, dann zumindest ausloten.

Zwischentitel wie Instagram-Postings

Warum gerade sie sich dazu berufen fühlt? Diese Frage stellt sich heute weniger als vor zehn Jahren, als Mückstein ihr achtbares Spielfilmdebüt „Talea“ vorlegte. Eine schöne Mutter-Tochter-Geschichte, mit einer Frau in der Mutterrolle, die viele jüngere Feministinnen nach ihrer Kritik am „kollektiven Jammern“ rund um die #MeToo-Debatte nicht mehr beklatschen wollen: Nina Proll. Mücksteins zweiter Langspielfilm, „L'Animale“, machte schon stärker deutlich, was ihre Passionen sind: Da wimmelte es vor Figuren mit labilen Gender-Identitäten. Doch die Rolle einer Repräsentantin jüngerer Feminismus-Anliegen fiel ihr erst 2022 zu, als sie eine Reihe von Instagram-Posts veröffentlichte, die (anonymisiert) Fälle sexistischer Übergriffe in der heimischen Filmbranche anklagten. Es ist vor allem das Bahöl um diese aktivistische Geste, das „Feminism WTF“ nun medialen Aufwind verleiht.

Ganz so plakativ wie ein Insta-Posting ist der Film zum Glück nicht. Obwohl manche der darin eingeblendeten Zwischentitel an Kalendersprüche erinnern: „It's not a story of being born in the wrong body, it's the story of being born in the wrong world“, zitiert einer davon den non-binären (Sozial-)Medienstar Alok Vaid-Menon. Sentenzen wie diese geben den Duktus vor für das Eingemachte des Films, das erstaunlich kopflastig ausfällt: „Feminism WTF“ besteht zu weiten Teilen aus „Talking Heads“. Also aus Interviewszenen mit Experten, die kundtun, was ihnen als erklärten Feministinnen und Feministen wichtig ist.

Da moniert etwa die Soziologin Franziska Schutzbach, dass die meiste „Sorgearbeit“ heute noch immer von Frauen geleistet wird – und zwar gratis. Ideenforscherin Nikita Dhawan zeichnet nach, wie der Ausschluss von Frauen aus dem politischen Leben von männlichen Philosophen begründet wurde. Biologin Sigrid Schmitz kritisiert die Reduktion des Geschlechterspektrums auf eine genetisch bedingte Mann-Frau-Polarität. Persson Perry Baumgartinger und Wopana Mudimu bringen die Perspektiven migrantischer und Transpersonen ins Spiel.

90-minütiger Theoriekurs

Eine reiche Palette. Mücksteins Film bietet fraglos einen guten Überblick über (zeitgenössische) Feminismus-Diskurse. Was dabei fehlt, ist Widerspruch. Das ist durchaus gewollt: In einem Interview mit dem „Presse“-„Schaufenster“ konnte die Regisseurin mit dem Label „Propagandafilm“ gut leben. Entsprechend knallig kommen die Zwischensequenzen daher, die den 90-minütigen Theoriekurs auflockern sollen: Mädchen, die in rosa Kapuzenpullis Fußball spielen, ein Mann mit Glitzer-Make-up, der sich lasziv zu Elektro-Beats räkelt. Dazu „Demonstrationen“ des Genderkonzepts: Eine Frau spielt mit einem Kleinkind im Kleid – und ordnet diesem im Gespräch „weibliche“ Interessen zu. Doch das Kind ist ein Bub: erwischt!

Bei so viel Willen zum Agitprop wundert man sich beinahe über den Schluss: Mückstein fragt ihre Gesprächspartner aus dem Off durch, was sie sich von der Zukunft erhoffen. Sie erntet Antworten wie: „Ich bin ja eher eine Pessimistin.“ Oder: „Ich gebe zu, ich bin voller Skepsis.“ Da denkt man sich zum ersten Mal wirklich: What the Fuck?

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