Strafjustiz

Pilnacek: "Kontrollverlust" über Staatsanwälte

OeVP-KORRUPTIONS-U-AUSSCHUSS: PILNACEK
OeVP-KORRUPTIONS-U-AUSSCHUSS: PILNACEKHELMUT FOHRINGER / APA / picture
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Der suspendierte Sektionschef Christian Pilnacek ortet rechtsstaatliche Mängel bei der Strafverfolgung und bringt Reformvorschläge.

Zuletzt ist es um Christian Pilnacek ruhig geworden. Seit seiner Suspendierung im Februar 2021 mied der Straflegistik-Sektionschef im Justizressort die Öffentlichkeit. Nun aber legte Pilnacek seinen Befund zum Zustand der Strafverfolgung in Österreich dar – in der „Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Finanzstrafrecht“ (Linde Verlag).

Die Wahrnehmung der Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaften sei „mit dem Schlagwort der Vermeidung des Anscheins politischer Beeinflussung faktisch außer Kraft gesetzt“, schreibt Pilnacek. Um „diesen Kontrollverlust“ auszugleichen, wäre ein effektiver Rechtsschutz durch die Gerichte notwendig: Doch sei auch dieser unzureichend.

Pilnacek leitete die Strafrechtssektion im Justizressort, die für die Straflegistik und Dienst- und Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaften zuständig war. Unter Justizministerin Alma Zadić (Grüne) wurde die Sektion geteilt, Pilnacek wurde Sektionschef für die Straflegistik. Die Opposition und die Grünen werfen ihm vor, er habe Strafverfahren zugunsten der ÖVP beeinflusst, was Pilnacek bestreitet. Rechtskräftig freigesprochen wurde er in einem Verfahren wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses. Ein Verfahren wegen des Vorwurfs, er habe eine geplante Razzia vorab verraten, ist noch offen. Aufgrund dieses Vorwurfs wurde er auch suspendiert. Pilnacek dementiert die Vorwürfe.

Sicherstellung von Handys

Er wolle mit seinem Beitrag „eine ernsthafte rechtspolitische Diskussion anstoßen“, schreibt er. Eine solche würde auszeichnen, nicht gebetsmühlenartig auf „eine dem Verfasser unterstellte Interessenlage zu verweisen“. Sein Ziel sei, „das System von Checks and Balances im Ermittlungsverfahren nach der Schwächung der internen Kontrolle der Staatsanwaltschaften (. . .) wieder in ein Gleichgewicht zu rücken“.

Pilnacek setzt etwa bei der Sicherstellung von Handys an. Die Strafprozessordnung sei hier „hinter den technischen Entwicklungen“ zurückgeblieben. Andere, vergleichbare Zwangsmaßnahmen seien nur bei einer gerichtlich bewilligten Anordnung der Staatsanwaltschaft möglich. Bei einer Sicherstellung eines Handys ist eine solche nicht notwendig, sie kann im Nachhinein per Einspruch wegen Rechtsverletzung an das Oberlandesgericht bekämpft werden.

Doch können die Staatsanwaltschaften trotz des Einspruchs die Daten auswerten, schreibt Pilnacek. Selbst bei einem erfolgreichen Einspruch können die Daten in beschränktem Ausmaß zudem verwertet werden. Pilnacek schlägt vor, dass sichergestellte Daten im Fall einer Beschwerde bis zu deren rechtskräftiger Erledigung gerichtlich versiegelt werden müssen. Erst dann sollen sie anderen Behörden und einem U-Ausschuss übermittelt werden dürfen.

Vernichtung bei erfolgreichem Einspruch

Derzeit würden Auswertungsergebnisse mit allen „damit verbundenen privaten und beruflichen Konsequenzen öffentlich werden, bevor noch über deren rechtmäßige Gewinnung und Verarbeitung entschieden wurde“. Auch von Pilnacek waren im Zuge der Ermittlungen Chats von dessen sichergestelltem Handy öffentlich geworden. Darunter Chats, in denen er mit Ex-Verfassungsminister Wolfgang Brandstetter über den Verfassungsgerichtshof lästerte.

Für den Fall eines erfolgreichen Einspruchs sollen Vernichtungsanordnungen für die Daten eingeführt werden, so Pilnacek. Auch sollen Anordnungen zur Sicherstellung von Handys gerichtlich, so wie bei Hausdurchsuchungen von einem Haft- und Rechtsschutzrichter (HR-Richter) bewilligt werden müssen.

Rolle der Richter stärken

Die präventive gerichtliche Kontrolle von bewilligungsbedürftigen Anordnungen sei derzeit zu schwach, „um die Dominanz und Deutungshoheit der Staatsanwaltschaft zu begrenzen“. Die HR-Richter seien in der Regel Berufsanfänger, so Pilnacek. Zudem können sie die Anordnungen mit einem Stempelabdruck bewilligen: Ihre Entscheidung müssen sie nicht begründen. Pilnacek fordert die Einführung einer Begründungspflicht ein.

Auch die gerichtliche Kontrolle im Nachhinein müsse verbessert werden. Staatsanwälte würden „selbst im Fall für sie negativer Gerichtsentscheidungen unbeirrt weiter ermitteln“. „Die Signalwirkung solcher Entscheidungen für eine sachgerechte Beendigung des Ermittlungsverfahrens (Einstellung)“ werde ignoriert. Daher soll das Gericht bei Erledigung einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft Aufträge für das weitere Verfahren „erteilen und nach der Schwere der Rechtsverletzung auch die Vernichtung bestimmter Ergebnisse anordnen können“.

Artikel laut Justizressort „private Meinungsäußerung"

Sollte es zu solchen Reformen – die von politischer Seite beschlossen werden müssten – kommen, könnte just Pilnacek bei der legistischen Umsetzung mitwirken. Laut „Standard“ und „Profil“ entscheidet im April die Bundesdisziplinarbehörde, ob die Suspendierung noch zulässig ist. Sollte sie diese aufheben, könnte Pilnacek als Sektionschef zurückkehren.

Aus dem Justizressort heißt es zu Pilnaceks Artikel, dass es sich um eine „private Meinungsäußerung handelt“. Grünen-Justizsprecherin Agnes Prammer meinte, dass Pilnacek seit seiner Suspendierung keinen Zugang zu Akten und zum Ministerium habe. Wie er dazu komme, dass die Fachaufsicht außer Kraft gesetzt sei, könne sie nicht nachvollziehen. Er würdige damit die Arbeit der Staatsanwälte und der Beamten herab. Vielmehr funktioniere die Fachaufsicht seit der Neuordnung unter Ministerin Zadić „viel besser als in der Vergangenheit“.

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