Gastkommentar

Die Position der FPÖ ist keine Neutralität

Die FPÖ-Abgeorndeten beim Abmarsch aus dem Parlament.
Die FPÖ-Abgeorndeten beim Abmarsch aus dem Parlament.APA/Robert Jäger
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Das Heldentor in Gelb und Blau - war ein unvergesslicher Moment. Vom aktuellen Selenskij-Rede im Parlament bleibt nur ein Bild: Die FPÖ-Fraktion, auf dem Weg aus dem Sitzungssaal.

Der Autor

Als ich vor einem Jahr das Heldentor in gelb und blau gesehen habe – das war ein unvergesslicher Moment, der mich beinahe zum Weinen gebracht hatte. Dieses Mitgefühl, diese Hilfsbereitschaft von Hunderttausenden Österreicher und Österreicherinnen, diese offene Tür für Tausende Flüchtlinge – das alles war für mich ein Moment der Wahrheit über dieses Land. Ein Land mit Herz.Dr. Olexander Scherba war von 2014 bis 2021 ukrainischer Botschafter in Wien und ist heute Sonderbotschafter im Außenministerium in Kiew.

Es sah aus, wie alles andere als die gewöhnliche österreichische „Neutralität“ im Angesicht Russlands. Kein Wunder: neutral zu sein, wenn dein Nachbar angegriffen wird, wenn Städte und Dörfer bombardiert und verbrannt werden – das wäre nur einem Menschen ohne Moral und Verstand möglich. Wenigstens, das dachte ich mir damals.

Jetzt sollte noch ein unvergesslicher Moment kommen – Wolodymyr Selenskij, der heldenhafte Präsident dieses leidenden, blutenden, brutal angegriffenen und trotzdem nicht aufgebenden Landes, wurde endlich eingeladen, vor dem österreichischen Parlament zu sprechen. Viele ÖsterreicherInnen, Menschen einer großen Seele, echte Freunde, haben sich bemüht, damit diese Rede stattfindet. Und ich empfinde unendliche Dankbarkeit dafür. Aber Dankbarkeit ist nicht das einzige Wort, das mir jetzt durch den Kopf geht.Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

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Leider ist ein anderes Bild auch steckengeblieben – das von der FPÖ-Fraktion, auf dem Weg aus dem Sitzungssaal. Und auch ein Bild von vielen leeren SPÖ-Sitzen. Für mich und viele Ukrainer war das wie geohrfeigt zu werden.

Einerseits gibt es an der Position der FPÖ gegenüber Russland nicht neues. Sie ist neutral. Denn einen Partnervertrag mit Putins Partei zu unterzeichnen, in die von Russland besetzte Krim zu reisen, Putin zur Hochzeit einzuladen, Halb-Österreich einem russischen Reichen in Ibiza zum Kauf zu bieten, in jedem einzelnen außenpolitischen Punkt den russischen „talking points“ nachzuplappern – das alles ist, nach der Deutung der Freiheitlichen, Neutralität. Nun, man muss es denen geben, die sind in ihrer Schamlosigkeit wenigstens konsequent.

Für manche ist Neutralität, eben ein Recht, ein Dreckskerl zu sein. Letztendlich ist das auch eine Freiheit, eine moralische Wahl, die jedem zusteht.

Aber es gibt noch etwas, das mir jetzt durch den Kopf geht. Und als Ukrainer, der Österreich liebt und dessen Großonkel hier begraben liegt, für immer 23 Jahre alt, habe ich ein Recht darauf, es zu Sprache zu bringen. Vor achtzig Jahren verwandelten die Menschen, die später FPÖ gründeten, die Ukraine in eine Wüste. Sie führten eine brutale Invasion, töteten, vergewaltigten, zerstörten – also taten vieles davon was Putin und seine Schergen jetzt in der Ukraine tun. 1941 fuhren sie auf ihren Panzern in die Ukraine ein. Mit Musik, Lachen und voller Verachtung gegenüber dem „menschlichen Material“, das die Ukraine besiedelte. Drei Jahre später wurden sie herausgeworfen – blutend, erniedrigt, zerdrückt. Vor diesem Hintergrund ist für FPÖ sich so zu benehmen wie sie sich während der Rede von Selenskij (übrigens, eines Nachfahren eines Holocaust-Überlebenden) benommen haben, menschlich schamlos und historisch skandalös.

Russland will wieder Imperium sein. Die Ukraine will nur sein. Die Ukraine kämpft für ihre Freiheit. Putin, andererseits, führt den gleichen imperialistischen Krieg, den alle Diktatoren aller Zeiten geführt haben. Gegen Freiheit, gegen Progress, gegen Menschlichkeit. In dieser Hinsicht, ist Putin, historisch gesehen, an gleicher Seite wie Hitler und jeder andere Imperialist vor ihm. Und ja, es ist auch ein Moment der Wahrheit, in dem jeder und jede – willig oder nicht – Partei ergreift.

Neutral zu sein, wenn jemand in deiner Anwesenheit vergewaltigt wird – das gibt es nicht. Ein Dreckskerl zu sein, der wegschaut – das gibt es sehr wohl. Die Freiheitlichen haben in diesem Krieg keine Neutralität gewählt, sondern die Seite des Vergewaltigers. Gott sei Dank ist FPÖ nicht das ganze Österreich.

(Die Presse)

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