Ökologie

Wie ein Fisch im Wasser: Unerkannte Artenvielfalt in Österreich

Diese Elritzen wurden im Duisitzkarsee bei Schladming erforscht. Sie sind circa 6–8 cm groß.
Diese Elritzen wurden im Duisitzkarsee bei Schladming erforscht. Sie sind circa 6–8 cm groß. NHM
  • Drucken

Die kleinen Elritzen sind eine vielfältigere Gruppe als gedacht. Jugendliche und Anglervereine helfen beim Datensammeln: Welche Fischart kommt wo vor? Wie kann man sie und ihr Ökosystem schützen? Das Projekt läuft von Wien über Schladming und Mondsee bis Innsbruck.

Elritzen sind kleine Schwarmfische, die zwar nicht auf unseren Teller kommen, aber für das Ökosystem wichtig sind. Bis vor einigen Jahren dachte die Wissenschaftswelt, dass in Österreich eine einzige Elritzenart vorkommt – ja sogar für ganz Europa wurde sie dokumentiert: Phoxinus phoxinus galt als die europäische Elritze. „Äußerlich unterscheiden sich Elritzenarten kaum vom Aussehen“, sagt Anja Palandačić vom Naturhistorischen Museum Wien (NHM). Sogar mit Röntgenbildern finden die Zoologinnen und Zoologen keine einheitlichen Merkmale wie Flossenstrahlen oder Wirbelanzahl, die auf diverse Arten hinweisen würden. Erst durch die Genetik entdeckten Forschende vor circa zehn Jahren, dass die Elritzen recht vielfältig sind.

Im Wienfluss leben Wiener Elritzen (Phoxinus marsilii), im Salzkammergut Donau-Elritzen (Phoxinus csikii) und in Kärntner Gewässern die südliche Elritze (Phoxinuslumaireul). Vier Elritzenarten sind nun in Österreich nachgewiesen, 13 in ganz Europa. Die Elritze war im Jahr 2016 Fisch des Jahres, weil sie in Gewässern ein guter Indikator für Verunreinigungen bzw. für die Gesundheit des Ökosystems ist.

Anja Palandačić leitet jetzt ein Sparkling-Science-Projekt (finanziert vom Wissenschaftsministerium und dem OeAD), das die Vielfalt dieser Fischgattung aufdeckt. Als nicht akademische Mitforschende sind Schulen und Sportfischer im Projekt. Die Schülerinnen und Schüler helfen in den Regionen Innsbruck, Schladming, Mondsee und Wien mit, bisher unerforschte Bäche, Seen und Flüsse zu untersuchen.

Die Landesfischereiverbände Salzburg, Niederösterreich und Tirol unterstützen ebenfalls die Datenaufnahme. Die Probennahme ist simpel, auf der Homepage elritzen.at kann die Methode jeder und jede lernen. „Elritzen fängt man entweder mit einem Kescher oder einer selbst gebauten Reuse aus Plastikflaschen“, erklärt Palandačić. Die Jugendlichen erfahren in Workshops, wie man die zappelnden Fische handhabt und den Tupfer über die Fischhaut streift, damit genug DNA für die PCR-Analysen drauf ist. „Ja, das funktioniert ähnlich wie ein Covid-Test. Aber hier brauchen wir die DNA, um zu erkennen, welche Elritzenart wir vor uns haben“, sagt Palandačić.

Unbemerkter Gast bei Fischbesatzung

Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass die europäische Elritze in Österreich gar nicht ursprünglich ist, sondern wohl eingeschleppt wurde. „Diese Fische sind nie offiziell eingeführt worden, weil sie kein Speisefisch sind. Aber wir haben aus anderen europäischen Ländern Hinweise, dass Elritzen mit Forellen mitgebracht wurden, die bei anderen Fischbesatzungen unbemerkt dabei waren oder als lebende Köderfische genutzt und freigelassen wurden“, so Palandačić. Auch private Teiche, in die hübsche Fischlein aus dem Baumarkt oder Tiergeschäft gesetzt werden, führten zu einer Verbreitung von nicht heimischen Arten.

„Jetzt müssen wir herausfinden, welche Art in welchem Gewässer lebt. Denn nur das, was man kennt, kann man auch schützen“, sagt Palandačić. Es geht bei Naturschutz nicht nur um den Erhalt der Pflanzen und Tiere, sondern auch um uns Menschen. „Wenn Ökosysteme nicht mehr funktionieren, haben wir ein Problem. Nicht einmal Trinkwasser gäbe es ohne ein gesundes Ökosystem“, sagt Palandačić. „Der Klimawandel macht der Natur zwar zu schaffen. Aber bei der Klimakrise geht es darum, ob wir bei zwei oder drei Grad mehr leben. Bei der Biodiversitätskrise geht es darum, ob wir überhaupt noch leben!“

In wärmeren Gewässern leiden sie

Studien zeigen, dass sich Elritzengehirne bei einer Erwärmung der Gewässer schlechter entwickeln: „Wenn die Temperatur steigt, geht es ihnen nicht gut. Wir wollen jetzt den Ist-Zustand dokumentieren, um zu wissen, was wir wo schützen können. Elritzen sind ein guter Anzeiger dafür, wie fit ein Gewässer ist.“ Palandačić freute sich, wie viel Ahnung die Jugendlichen bereits von Artenvielfalt und Klimawandel mitbringen. „Nicht nur in tropischen Wäldern und Ozeanen gibt es unerforschte Arten, sondern direkt bei uns in Österreich.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2023)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.