Sad patient being recomforted by a doctor
Krebs und Psyche

Die Diagnose Krebs verarbeiten

Für die Betroffenen eine schockierende Nachricht, die zutiefst verunsichert. Psychologische Unterstützung hilft, die damit verbundenen Ängste besser zu beherrschen.

Verzweiflung, Verunsicherung, Angst, Wut, Ablehnung, Panik – die Diagnose Krebs kann bei den Betroffenen die unterschiedlichsten Reaktionen hervorrufen.

Manche nehmen im Schock die Nachricht gar nicht richtig auf, können sich später kaum an das Arztgespräch erinnern, auch das ist möglich. Solche Lücken in der Erinnerung hält Gabriele Schauer-Maurer für eine verständliche Reaktion. Die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie sowie Psychotherapeutin mit Schwerpunkt Psychoonkologie weiß aus langjähriger Erfahrung: „Wenn es den Betroffenen zu viel wird, dann machen sie zu, lassen sozusagen die Rollläden runter. Das bietet ihnen ein Stück weit Sicherheit in einer extremen Situation.“ Daher sollte man zur Besprechung eine Vertrauensperson mitnehmen, damit alle wichtigen Informationen aufgenommen werden können, rät die Expertin.

Existenzielle Bedrohung. In der Versorgung von Krebspatienten gab es in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte. So wurden beispielsweise zahlreiche neue Krebsmedikamente entwickelt, die Krebssterblichkeit ist gesunken. Dennoch stellt Krebs nach wie vor eine ernste Krankheit dar, die tief in das Leben der Betroffenen eingreift. Viele stellen dadurch die Lebensplanung infrage oder verändern sie radikal, auch die Partnerschaft und der Berufsalltag werden auf die Probe gestellt. Außerdem zieht Krebs häufig eine monatelange Therapie nach sich, die belastend sein kann.

Kein Wunder, wenn Patienten die Diagnose als existenzielle Bedrohung wahrnehmen. Gabriele Schauer-Maurer ist überzeugt, dass es den Krebspatienten schlechthin und die Reaktion auf die Diagnose nicht gibt. Ob sich jemand enttäuscht zeigt, sich zurückzieht, kämpferisch oder aggressiv reagiert, die Krankheit ablehnt oder bagatellisiert, hänge nicht zuletzt von der Persönlichkeit des Betroffenen ab, von den Umständen zum Zeitpunkt der Diagnose, von der Arzt-Patient-Beziehung und anderen Bedingungen.

Gefühle ansprechen. Als besonders wichtig erachten Experten einen möglichst offenen Umgang mit der Erkrankung. Das bedeutet für die behandelnden Ärzte, dass sie Empathie zeigen, zuhören und mit den Betroffenen so offen wie möglich reden. Die Erkrankten wiederum tun gut daran, wenn sie ihre Ängste und Gefühle aussprechen und jene Fragen stellen, die ihnen wichtig sind. Diese gegenseitige Offenheit führe zu einem Austausch von wichtigen Informationen und mache die Angst beherrschbarer, so Psychoonkologin Schauer-Maurer. So empfinden es Erkrankte als große Hilfe, wenn sie den bevorstehenden Therapieplan ausführlich und einfühlsam erklärt bekommen und wenn man sie über die verschiedenen Hilfestellungen aufklärt, die – beispielsweise von der Klinik – geboten werden. Wie zum Beispiel Möglichkeiten der Unterstützung im Umgang mit der Erkrankung.

»„Offenheit führt zu einem Austausch von wichtigen
Informationen und macht die Angst beherrschbarer.“«



Für solche Fragen ist Franz Wendtner zuständig, Psychoonkologe am Uniklinikum Salzburg sowie Klinischer und Gesundheitspsychologe und Psychotherapeut in freier Praxis. „Viele Betroffene möchten nach der Diagnose wissen, ob die Erkrankung Schmerzen bereiten wird. Eine berechtigte Frage, denn besonders in einem fortgeschrittenen Stadium kann eine Krebserkrankung schmerzhaft sein.“

Wendtner weist darauf hin, dass man Schmerzen nicht hinnehmen müsse, denn die moderne Schmerztherapie biete gute Möglichkeiten, sie effektiv zu behandeln. Und das sei überaus wichtig. „Schmerz verursacht Stress, und Stress verhindert, dass der Organismus in einen Modus der Regeneration schalten kann“, sagt Wendtner. Daher seine Empfehlung: Krebspatienten sollten keine Bedenken vor „zusätzlicher Chemie“ haben, wenn ihre Schmerzen medikamentös behandelt werden. Hilfreich ist auch gezieltes Entspannungstraining, um etwa die Stressbelastungen aufgrund des Schmerzgeschehens besser handeln zu können. Diese und andere psychoonkologische Themen vermittelt Wendtner auch den Studierenden der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU).

Die Familie einbinden. Die Diagnose Krebs betrifft auch das soziale Umfeld, vor allem die Partner sind gefordert, müssen in vielen Fällen neue Aufgaben übernehmen. Eine gewaltige Herausforderung für so manche Beziehung. Rund ein Drittel der Partnerschaften geraten im Laufe einer Krebserkrankung ins Wanken und brechen auseinander, sagt Wendtner. Gute Beziehungen hingegen werden durch die Erkrankung zumeist besser, stabiler. Wendtner: „Scheuen Sie sich nicht, auch für die Bewältigung von Problemen in der Partnerschaft professionelle Unterstützung zu suchen.“

Der Psychoonkologe hält es auch für wichtig, die Kinder über die Erkrankung zu informieren, allerdings sollte es kindgerecht erfolgen, dem Alter angepasst. Es sei nämlich ein Unterschied, ob man es dem vierjährigen Sohn oder der 14-jährigen Tochter mitteilt. Für das Einbinden der Kinder spricht, dass sie ohnehin mitkriegen, wenn mit dem kranken Elternteil etwas nicht stimmt, sie suchen dann für sich nach einer Erklärung. „Die Fantasien und Ängste, die sie dabei entwickeln, können schlimmer sein als die Realität. Die vermeintliche Schonung der Kinder kann zu Isolation führen und zusätzlich Leid  erzeugen.“

Chef und Arbeitskollegen. Anders verhält es sich mit dem beruflichen Umfeld. Schauer-Maurer empfiehlt, hier genau abzuwägen, welche Informationen man am Arbeitsplatz weitergibt. „Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung, den Arbeitgeber über die Krankheit zu informieren, auch nicht bei längeren Krankenständen“, weiß die Psychoonkologin. Es kann sogar sehr sinnvoll sein, unter solchen geschützten Bedingungen die Behandlungen zu beginnen. Für andere ist es wiederum befreiend, die Chefetage und/oder die Kollegenschaft zu informieren. So besteht Klarheit, warum man beispielsweise eine Perücke trägt und warum es zu Fehlzeiten kommt. Wie man am Arbeitsplatz mit diesem Thema umgeht, ist von Fall zu Fall zu entscheiden. Auch hier kann professionelle Unterstützung hilfreich sein.

„Warum ich?“ Diese Frage stellen sich Betroffene häufig. Für Schauer-Maurer ist dies ein Zeichen, dass Betroffene ihre Erkrankung ernst nehmen und nicht bagatellisieren. „Es gibt ja eindeutige Zusammenhänge zwischen einem ungesunden Lebensstil und bestimmten Krebsarten, zum Beispiel aufgrund des Rauchens.“ In solchen Fällen könne sich die Ursachenforschung positiv auswirken und zu einer Änderung eines ungesunden Lebensstils beitragen.
Wenn allerdings Fragen nach der persönlichen Verantwortung oder Schuld quälen und die Gedanken ergebnislos im Kreis rotieren, mache es Sinn, dies ebenfalls offen anzusprechen beziehungsweise nach professioneller Hilfe zu suchen, so die Expertin. Dabei ist vereinfachenden psychologischen Erklärungsmodellen nach dem Muster „ich habe den Krebs wegen . . .“ entgegenzutreten. Ganz generell sollen die Betroffenen durch psychoonkologische Unterstützung Stärkung erfahren im Umgang mit einer ernsten Erkrankung.

Gesundheitstipp

Psychoonkologie (die Bezeichnung setzt sich zusammen aus Psychologie und Onkologie) ist eine interdisziplinäre Fachrichtung, die sich mit der Psyche und den sozialen Belangen von Krebspatienten und deren Angehörigen beschäftigt.
Sie arbeitet mit den Methoden der Klinischen Psychologie und der Psychotherapie verschiedener Schulen sowie mit Methoden der Gesundheitspsychologie, Psychiatrie und auch der Kommunikationswissenschaft.

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