Porträt

Roger Schmidt: Lissabons Ruhepol an der Seitenlinie

Als Trainer von Salzburg musste Roger Schmidt mit Höhen und Tiefen zurecht kommen.
Als Trainer von Salzburg musste Roger Schmidt mit Höhen und Tiefen zurecht kommen.APA/AFP/Miguel Riopa
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Roger Schmidt erlitt als Salzburg-Trainer gegen Düdelingen Schiffbruch, feierte trotzdem das Double und lernte in Leverkusen, Peking und Eindhoven. Jetzt führt er Benfica zum Meistertitel.

Die Geschichte mit Pep Guardiola ist schon fast zehn Jahre alt, aber sie erzählt noch immer viel über Roger Schmidt und seinen Fußball. Anfang 2014 traf er mit Red Bull Salzburg auf den FC Bayern und fegte tatsächlich mit 3:0 über den Champions-League-Sieger hinweg. Es war nur eine Testspielniederlage, trotzdem ließ sie den damaligen Bayern-Coach Guardiola staunen. Einen so aggressiven Offensivfußball habe er „noch nie erlebt“.

Mittlerweile arbeitet Schmidt längst nicht mehr in Salzburg, sondern fand seinen Weg über Leverkusen, Peking und Eindhoven zu Benfica Lissabon. Und seine größten Konkurrenten wie Sporting-Trainer Rúben Amorim sagen über ihn: Schmidts Benfica ist Portugals beste Mannschaft seit Jahren.

Lisboa: „O grande Schmidt“

Schmidt sitzt im Presseraum des Trainingsgeländes in Seixal. Hier trainiert Portugals Rekordmeister, hier hat er eine der aktuell größten Überraschungen des europäischen Vereinsfußballs geformt. Nach dem „Clássico“ gegen den FC Porto (1:2) führt Benfica die Tabelle immer noch mit sieben Punkten vor dem großen Rivalen an. Seit Jahren hat in Portugal keine Mannschaft mehr die Liga derart dominiert. Überhaupt hatten unter Einbeziehung der Drei-Punkte-Regelung in der fast 90-jährigen Liga-Historie nur zwei Teams nach 26 Spieltagen mehr Punkte auf dem Konto als Benfica (71). Und fast noch bedeutsamer: In der Champions League spielt der Traditionsklub heute gegen Inter Mailand um den erstmaligen Einzug ins Halbfinale (21 Uhr, live, Sky, Dazn). Das alles schreiben sie in Lissabon der Arbeit des 56-jährigen Westfalen zu, den nicht wenige in der Hauptstadt längst „O grande Schmidt“ nennen.

Der große Schmidt, der einst auch gegen Düdelingen sehr dunkle Stunden erlebt hat, sitzt jetzt also auf dem Podium eines engen Raums auf der anderen Seite des Tejo-Flusses. Er trägt Benficas goldenes Trainingsshirt, strahlt auch im Moment großen Erfolgs diese deutsche Seriosität aus, für die sie ihn hier so schätzen. Spektakuläre Antworten gibt er zwar nie bis selten, umso spektakulärer ist dafür sein fußballerischer Ansatz. Schnelles Umschaltspiel mit extremer Aggressivität und enormer Geschwindigkeit nach Ballgewinn.

Otamendi kannte ihn nicht

Zur Person

Die Zahlen dazu lesen sich beeindruckend: Kein Team hat in der Liga mehr Tore geschossen (68) als Benfica, keines hat weniger kassiert (16). In der Königsklasse belegte der Verein aus dem gleichnamigen Lissabonner Stadtteil vor Juventus und Paris SG ohne Niederlage den ersten Platz. Anschließend wurde FC Brügge im Achtelfinale überrollt. Ins Viertelfinale ist Benfica schon öfter eingezogen, jedoch noch nie so dominant.

„Wir werden Titel jagen“, kündigte Schmidt nach seiner Vertragsverlängerung bis 2026 am vergangenen Freitag an. „Für mich war es eine klare Entscheidung, länger bei Benfica zu bleiben.“
Was will man als Trainer mehr? Gemeinsam mit seiner Frau lebt der ausgebildete Maschinenbauingenieur in einer der Städte mit der höchsten Lebensqualität Europas. Ihm widerfährt in Lissabon enorme Wertschätzung. Nach Jahren der Tristesse, nach Meistertiteln für Sporting und Porto, sehnten sich die „Benfiquistas“ nach einem Trainer, der den Erfolg zurückbringt. Also verpflichtete Präsident Rui Costa diesen Schmidt, und erst einmal waren die Fans verblüfft. Sie wussten nicht, wer das ist. Auch Kapitän und Weltmeister Nicolás Otamendi nicht. „Ich kannte ihn wirklich nicht“, verriet er unlängst. Aber auch der Argentinier war schnell überzeugt.
Schmidt hat mit seinem Fußball Erfolg. Jedoch erst wenn es rechnerisch klar sei, lasse er sich zum Titel (2014 mit Salzburg Double-Sieger, 2018 chinesischer und 2022 niederländischer Cupsieger) gratulieren, erklärte er. Auch dafür schätzen sie ihn hier. Für seine Ernsthaftigkeit. (DPA/fin)Roger Schmidt, 56, sorgt mit seinem Umschaltfußball bei Benfica Lissabon für Furore. Trainerstationen zuvor u. a. RB Salzburg (Oliver Glasner war sein Co-Trainer), Leverkusen, Beijing Guoan, PSV Eindhoven. Ausgebildeter Ingenieur, verheiratet, zwei Kinder.

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