Rhônetal

Chemin du Vignoble: Feine Fußwege zum Wein

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RhônetalSwissimage/ Valais Wallis
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Der Chemin du Vignoble ist ein Wanderweg quer durch die Weingärten des Walliser Rhônetals. Wenige Höhenmeter, viele Weingüter und reichlich Sonne auf 66 Kilometern.

Es hat das Wallis so an sich, dass man spontan an gewaltig hohe Berge und alpine Ausflüge denkt. Dabei hat der drittgrößte Kanton der Schweiz auch eine sanfte Seite. Eine, die sich auf das weite, offene und sonnenreiche Tal der Rhône bezieht, wo sich die Weingärten von Visp bis zum Ufer des Genfersees ausbreiten. Weingegenden haben heutzutage einen besonderen Reiz, verbindet man doch damit auch viel Sonne, schöne Landschaften und gute Kulinarik. Das ist auch rechts und links der Rhône so, und deshalb gibt es den Walliser Weinweg, den Chemin du Vignoble, was schon deutlich eleganter klingt.

Auf 66 Kilometern schlängelt sich der Wanderpfad durchs Rhônetal, in der Regel auf der schöneren, sonnigen Nordseite zwischen Martigny und Leuk. Zuweilen können Wandernde wählen zwischen einem etwas weiter oben liegenden Weinweg und dem orts­näheren Rebenwanderweg. Wir haben uns Sion, die ­Kantonshauptstadt, als Startort ausgewählt und wollen rhôneaufwärts bis zum Ende des Chemins in Leuk gehen. Hier geht es nicht um die Zeit, sondern ums Erleben und Genießen. Ob wir eine Stunde früher oder später ankommen, interessiert uns genauso wenig wie die Weinbauern, denen wir unterwegs begegnen. Also wandern wir entschleunigt und genussvoll. Heutzutage ja zwei recht populäre Attribute.

Der Weg führt durch abwechslungsreiches Terrain, durch Rebzeilen vorbei an Terrassen über den Talboden.
Der Weg führt durch abwechslungsreiches Terrain, durch Rebzeilen vorbei an Terrassen über den Talboden. Oenotourisme (Cave Rouvinez)

57 autochthone Rebsorten

Nach einer typisch schweizerischen Bahnfahrt, pünktlich und ordentlich, landen wir am Bahnhof in Sion inmitten eines Gewerbegebiets am Stadtrand. Am Abend führt uns Paul, Stadtführer und ehemaliger Winzer, durch das Zentrum von Sion und gönnt uns auch eine Einführung in die Schweizer Weinkultur. Für das Gros der Nicht-Locals ist das eine eigene und etwas fremde Welt. Fendant und Dole hat man gehört, aber dass hier auf 5000 Hektar angebaut wird, dass es 57 autochthone Sorten gibt, die wichtigste Sorte Gutedel heißt, was man auch als Chasselas oder Fendant kennt, dass Dole ein Verschnitt aus Gamay und Pinot Noir ist, das wissen nur Einheimische und Fachleute. So viel Know-how ist für den Einstieg nicht verkehrt, als uns Paul zu einer Verkostungsrunde durch die Altstadt vorbei an der Place de la Planta, am Bischofspalast und dem Regierungsgebäude führt. Finale Verkostungsstation ist der Tour de Sorciers, der Turm der Zauberer. Das klingt sympathisch, die Realität ist da weniger sanftmütig, wie Paul erklärt. „Hier waren im Mittelalter das Gericht, das Gefängnis und der Galgen.“

Das Wallis ist ja zweigeteilt, erzählt er. „Das deutschsprachige Oberwallis und das französischsprachige Unterwallis. Flächenmäßig sind beide Teile gleich, aber hier im Unterwallis leben drei Viertel der Menschen.“
Am nächsten Morgen wartet Valentin Cina auf uns. Der ehemalige Lehrer und natürlich auch Winzer begleitet uns auf dem Weinweg Richtung Oberwallis und spricht wie die meisten Leute, denen man hier begegnet, auch Deutsch. Es gäbe dazwischen noch den walliserdeutschen Dialekt, den die Leute im Oberwallis untereinander pflegen, auf den wir freilich verzichten können. Wenn Auswärtige versuchen, Dialekt zu sprechen, ist das fast immer peinlich. Nicht nur in Österreich. Mit Valentin spazieren wir auf einer Asphaltstraße bergauf durch eine recht noble Wohngegend, weiter entlang der Standseilbahn Richtung Crans Montana, wo oben einige Hoteltürme in den Himmel ragen. Je weiter wir nach oben gehen, desto häufiger begegnen wir den typischen mit Steinen ummauerten Weingärten.

In den Kellern lagern unter anderem Weine der 57 ­autochthonen Sorten, die hier angebaut werden.
In den Kellern lagern unter anderem Weine der 57 ­autochthonen Sorten, die hier angebaut werden. Oenotourisme (Pascal Gertschen)

Rilkes letzter Turm

Wir biegen rechts ab Richtung Villa Flora, gehen auf dem Weinweg flach weiter vorbei am privaten Chateau Ravire. Auf der Sonnenseite des Tals zu wohnen ist auch hier die exklusivere Variante – nicht nur in Kitzbühel. „Früher war das anders. Den Weinbau gibt es ja noch nicht so lang. Davor dominierte hier die Viehwirtschaft“, ergänzt Valentin. Für die hätte man sicher keinen Themenwanderweg angelegt. Da bleiben wir lieber beim Wein, bewundern die alten Speicherbauten aus schwerem, dunklem Holz, die auf Pfosten aus Steinplatten gebaut wurden, um Feuchtigkeit und Mäuse fernzuhalten. In dem kleinen Weiler Muzot können wir aus der Distanz auf den alten Turm blicken, in dem der Dichter Rainer Maria Rilke in seinen letzten Jahren ab 1921 wohnte. Das Wallis brachte ihn offensichtlich zum Schwärmen. „Welches Land hat so viel Einzelheiten in so großem Zusammenhang; es ist wie der Schlusssatz einer Beethoven-Symphonie“, schrieb er 1921. Nachdem er 1926 an Leukämie verstarb, wurde er auf eigenen Wunsch im nahen Dorf Ravon bestattet.

Wenig später erreichen wir den Naturpark Pfyn/Finges mit seinen weitläufigen Föhrenwäldern. Kurzzeitig bekommt der Weg einen dezent alpinen Charakter, folgt gegen den Lauf des Flusses La Raspille bergauf durch den schattigen Wald, bevor es mit einigen Kehren bergauf und bergab wieder hinaus ins Licht und zu weitläufigen Weingärten geht. Eine durchaus willkommene Abwechslung. In Salgesch ließen sich eigene Kenntnisse im Walliser Reb- und Weinmuseum vertiefen. Doch der Guide hält mehr von der Praxis und spaziert mit uns weiter auf der ruhigen, asphaltierten Straße vorbei an eleganten Villen mit üppig, aber nicht unordentlich wuchernden Gärten Richtung Veran.

Elf Kinder, elf Weinsorten

Die Mittags­station ist das auf den ersten Blick schlicht anmutende Weingut der Familie Bayard, der „Cave du Chevalier Bayard“. Aber hier lauern allerhand interessante Geschichten. Das beginnt damit, dass der Name bis auf den Ritter von Bayard zurückgeht, der sich im 15. Jahrhundert als mutiger Kämpfer einen Namen gemacht hat. Heute betreiben die Bayards das Weingut in der dritten Generation und blicken auf eine Familiengeschichte zurück, die auch Thema eines Buchs mit dem Titel „Der Clan vom Berg“ wurde. Der 84-jährige Seniorchef Erich hatte zehn Geschwister. „Jedes der elf Kinder war im Weinbau involviert und hat seine eigene Sorte angebaut“, erzählt er. Das ergab dann eine ungewöhnliche Sortenvielfalt, die bis heute geblieben ist.
In der aktuellen Generation sind sie wieder elf und führen die Tradition fort, haben vor zehn Jahren auf biologischen Weinbau umgestellt und zwei entsprechend zertifizierte Weine im Angebot. 25 Weine sind im Sortiment, darunter auch alte Sorten wie Gwäss oder Humagne Blanc. Gäste können hier verschiedene Degustationen mit und ohne Walliser Teller, dem Pendant zur Brettljause mit Trockenfleisch, Rohschinken, Speck und Käse, und auch als Degustationsspiel für kleinere Gruppen buchen.

Von Veran bis zum Zielort Leuk sind es dann nur noch zwei bis drei Kilometer mit einem umfassenden Blick über das Rhônetal. Bekannt ist Leuk für das historische Bischofsschloss, das vor über 20 Jahren von dem berühmten Architekten Mario Botta mit einer riesigen Glaskuppel versehen wurde – heute ein Kulturzentrum. Am Ende der Weinwanderung wartet noch ein Abstecher nach Brig ins Oberwallis. Einige wenige Minuten mit der Bahn, und wir steigen in Brig aus, promenieren durch das gut erhaltene historische Zen­trum der Stadt, die sich dank der strategisch wichtigen Lage im Rhônetal an der Abzweigung zum Simplonpass stets einen soliden Wohlstand erhalten hat. Und für uns ist es das Ziel der dreitägigen Wanderung durch die sanfte Seite des Wallis. 

Infos

Walliser Weinweg: Start in Martigny, Ziel in Brig, Länge: 66  Kilometer, 2400 Höhenmeter.

Beste Reisezeit: Frühjahr und Herbst.

Essen & Trinken: Cave du Chevalier Bayard, Weingut in Varen, chevalier-bayard.ch

Anbieter: u. a. Eurotrek, drei Übernachtungen und Gepäckservice, Wein- und Käseverkostungen, eurotrek.ch

Unterwegs: mit Swiss Travel Pass, mystsnet.com

Infos:myswitzerland.com

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