Nachruf

Ohne "Sklavennamen" mit Jazz in den Charts: Pianist Ahmad Jamal ist gestorben

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FILES-US-MUSIC-JAZZ-JAMAL-OBIT(c) APA/AFP/Remy Gabalda
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Jazzpianist Ahmad Jamal, geboren als Frederick Jones, ist 92-jährig gestorben. Er verband Schlichtheit mit Intellektualität. Das schätzen Miles Davis und Hip-Hop-Musiker wie Jay-Z.

Fritz wurde der aufstrebende Pianist Frederick Russell Jones in frühen Tagen oft gerufen. Zunächst machte ihm das nichts aus. Die Zukunft schien ihm hold, hatte ihm doch Art Tatum, dieser eine Generation ältere Meister, eine große Zukunft vorausgesagt. Da war er erst 14 Jahre alt. Doch dann verlief seine Karriere doch nicht ganz so blendend. Vor allem, weil sein musikalisches Terrain zwischen dem eingängigen Swing eines Nat King Cole und dem unterkühlten, intellektuellen Spiel eines Bill Evans lag. Das machte eine Einordnung schwierig. Auf der einen Seite huldigten ihm Granden wie Miles Davis, auf der anderen Seite wurde er als Hotellobby-Pianist verunglimpft.

Vom Christentum zum Islam

1952 konvertierte Jones zum Islam. Es war eine Zeit, in der Afroamerikaner große Zweifel am christlichen Glauben hegten, vor allem, weil er sie nicht vor Rassendiskriminierung schützte. Den gleichen Gott wie jene anzubeten, die die Rassentrennung in den USA forcierten, das war vielen ein zu großer Widerspruch. Der Religion der Rassisten zu entfliehen bedeutete auch, den „Sklavennamen“ abzulegen. Schlagzeuger Art Blakey wurde zu Abdullah Ibn Buhaina, Saxofonist Bill Evans zu Yusef Lateef. Und Jones nannte sich Ahmad Jamal, dieser Name stand schon 1955 auf dem Cover des Debütalbums. Bald danach kam der 1930 in Pittsburgh geborene Musiker beim renommierten Label Argo in Chicago unter. Es wurde von den legendären Brüdern Chess geleitet, und die Konkurrenz war stark. So veröffentlichte auch Ramsey Lewis dort, dessen Stücke wie „Wade in the Water“ und „The In-Crowd“ die Jukeboxen der USA heißlaufen ließ. So eingängige Tanzmusik machte Jamal nie, aber seine warm perlenden Szenerien waren durchaus weltzugewandt. „Comme Ci, Comme Ça“ etwa, ein von wunderbaren Geigenpizzicatos gewürztes Swing-Stück auf dem Album „Ahmad Jamal at the Penthouse“.

127 Wochen in der US-Hitparade

Trotz seiner dezenten Art schaffte es Jamal auch in die Charts. Jazz war damals ja Hitparadenmusik. Mit dem Album „At the Pershing“ (1958) hielt sich Jamal 127 Wochen in der US-Hitparade. Was manche als Cocktailmusik abtaten, war für einen Innovator wie Miles Davis eine Offenbarung, was nuancierten Anschlag und feinste dynamische Differenzierungen anlangt.

Jamal war ein Meister der musikalischen Ökonomie. Zierrat war ihm zuwider. Fast sein gesamtes Leben blieb er dem Steinway-Flügel treu. Obwohl, 1973 versuchte er sich erfolgreich am E-Piano: Auf „Ahmad Jamal 73“ interpretierte er etwa „The World Is a Ghetto“ von War auf sehr groovige Art.

Sonst komponierte er in den Siebzigerjahren verstärkt selbst. Das würdigte auch die Hip-Hop-Generation. Jay-Z sampelte das nachdenkliche „Pastures“, De La Soul das flotte „Swahililand“. Damit hatte Jamal kein Problem. „Kein Komponist erschafft Musik“, sagte er einmal der „Presse“: „Sie ist bereits im Universum vorhanden, muss aber entdeckt werden.“ Als Pianist wie als Mensch verstand es Ahmad Jamal, seine Grübeleien in eine fast außerweltliche heitere Gelassenheit zu überführen. Jetzt ist der große Musiker 92-jährig zu Hause in Ashley Falls in Massachusetts an Krebs gestorben.

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