Bilanz

Wien Energie: Traumgewinn im Horrorjahr

2022 stand die Wien Energie schon an der Kippe. Am Ende war es ein erfolgreiches Jahr.
2022 stand die Wien Energie schon an der Kippe. Am Ende war es ein erfolgreiches Jahr. (c) Die Presse/Clemens Fabry (Clemens Fabry)
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Die Wien Energie hat im Vorjahr hunderte Millionen Euro mit dem zuletzt so verpönten Handel an der Börse verdient. Im Geschäft mit den Endkunden setzte es einen Verlust. Den Gewinn von heuer will der Konzern „zurückgeben“.

Wien. Wenn Michael Strebl an den verhängnisvollen 26. August des Vorjahres erinnert wird, spricht der Geschäftsführer der Wien Energie nur noch vom „Black Friday“. Jenem Tag, an dem der Strompreis an den europäischen Energiebörsen schlagartig auf über tausend Euro in die Höhe geschossen ist, was den Stromkonzern schwer in die Bredouille bringen sollte. „Das ist, als ob der Liter Diesel von einem Tag auf den anderen 30 Euro kostet“, sagt Strebl. Nur zwei Tage später, am Montag um 14 Uhr, musste der stadteigene Energieversorger 1,77 Milliarden Euro als Absicherung für Termingeschäfte bei der Börse hinterlegen. Geld, das die Wien Energie damals nicht flüssig hatte. Die Stadt Wien und der Bund sprangen mit milliardenschweren Notkrediten ein und eine bis heute nicht abgeschlossene Debatte über Spekulationen, Verantwortung und Krisenkommunikation begann.

Inzwischen hat zumindest das Unternehmen die gröbsten Wirren hinter sich. Die Milliarden von der Stadt sind mit Zins und Zinseszins zurückgezahlt. Den Kredit des Bundes hat die Wien Energie nie angerührt. „Es gab und gibt keine Spekulation bei der Wien Energie“, beteuert Strebl bei der Präsentation der Jahresbilanz noch einmal. „Aber der Handel an der Energiebörse ist für uns alternativlos.“ Das hat einen einfachen Grund: Die Wien Energie ist nämlich in erster Linie für die Versorgung der Millionenstadt mit Fernwärme verantwortlich. Dafür laufen im Winter Fernwärme-Kraftwerke, die quasi als Nebenprodukt auch Strom liefern. Im Winter sitzt die Wien Energie also auf doppelt so viel Strom, wie sie an ihre Kunden abgeben kann. Im Sommer fehlen ihr die Mengen, warum sie sich im Großhandel langfristig mit Strom eindeckt.

Geld verdienen an der Börse

Blickt man nur auf die Zahl unter dem Strich, ist das vergangene Jahr trotz aller Turbulenzen für die Wien Energie sehr erfolgreich gelaufen. Wie alle Stromproduzenten profitierte auch sie von den außergewöhnlichen Preissteigerungen (in der Spitze bis zu 3400 Prozent plus) an der Börse. Der Umsatz verdoppelte sich beinahe auf 5,9 Milliarden Euro. Das Jahresergebnis stieg um 175,7 Prozent auf 386 Millionen Euro. Die Eigenkapitalquote erhöhte sich auf 35,5 Prozent.

Auffällig ist dabei eines: Profite hat der Wiener Stromversorger lediglich im Großhandel erzielt, also da, wo die Wien Energie ihre überschüssige Stromproduktion an der Börse verkauft hat. In Summe spülten die Kraftwerke 449 Millionen Euro in die Kassen des Unternehmens. Im Endkundengeschäft hat der Konzern hingegen einen dreistelligen Millionenverlust hingelegt. In Summe sorgte die Vertriebstochter für ein Minus von 134 Millionen Euro.


Dass die Kundinnen und Kunden dennoch über hohe Rechnungen stöhnen, ist Michael Strebl bewusst. Für die Tarife seines Unternehmens will er sich dennoch nicht verstecken. „Vieles, was manche Landesenergiegesellschaften heute als Preissenkung feiern, ist nur ein Annäherung an Preise, die wir schon haben“. Zieht man alle rabatte in Betracht, ist der Strompreis der Wien Energie von 16 Cent je Kilowattstunde tatsächlich sehr konkurrenzfähig. Nicht umsonst hat das Unternehmen im Vorjahr 80.000 Neukunden gewonnen, während sich viele andere Anbieter komplett vom Markt verabschiedet haben.
Die Klagen der Verbraucherschützer (auch gegen sein Unternehmen) wegen der Preisgestaltung kann der Wien Energie-Chef nur „schwer nachvollziehen“. Wohl aber die Geldnöte und Sorgen der Haushalte. Auch deshalb habe sich die Wien Energie entschieden, „den Jahresgewinn eineinhalbfach zurückzugeben“.

Wien Energie setzt auf Rabatte

Wirklich an die Kundinnen und Kunden wird davon aber nur ein Bruchteil fließen: 80 Millionen Euro sind für Rabattaktionen im Sommer reserviert, 50 Millionen Euro für eine 20-prozentige Senkung des Fernwärme-Grundpreises rückwirkend ab dem letzten Winter und zehn Millionen für Projekte gegen Energiearmut. Der größte Brocken soll jedoch über verstärkte Investitionen an die Wienerinnen und Wiener „zurückgegeben“ werden. Um 50 Millionen wird der Ausbau des Fernwärmenetzes forciert, 95 Millionen fließen in grüne Wasserstoffprojekte in Wien und 272 Millionen Euro in den Ausbau der Erneuerbaren. Im Vorjahr erzeugte die Wien Energie ihren Strom nämlich immer noch überwiegend fossil durch das Verbrennen von Gas – und teilweise auch Erdöl. Von 6600 Gigawattstunden Strom kamen nur 1300 Gigawattstunden aus Wasser-, Wind- und Solarenergie.

Die erhöhten Investitionen in Erneuerbare haben noch einen zweiten Vorteil: Sie drücken die Steuerbasis für die staatliche Gewinnabschöpfung. Auch bei guten Gewinnen 2023 dürfte diese daher „nicht sonderlich schlagend“ werden, so Strebl.

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