Es ist an der Zeit: Frühjahrsputz.
Frühjahrsputz

Wischen, waschen, wohlfühlen? Über die Kraft der Ordnung

Je mehr Unordnung herrscht, desto weniger fühlen wir uns wohl, fit, munter und konzentriert. Ein Loblied auf den Frühjahrsputz.

Blenden wir den Haushalt einmal als Zeitfresser aus. Als unendliche Geschichte des zivilisierten Zusammenlebens. Als Beziehungsbombe. Machen wir uns locker und hören auf die Wissenschaft, die findet es nämlich tendenziell gut, wenn wir putzen, saugen und ausmisten. Letzteres vor allem. 

Mehr Unordnung, weniger Zufriedenheit

Nach einer Studie von 2016 kann sich zu viel Unordnung negativ auf das Wohlbefinden auswirken. Untersucht wurde, wie sich ein Überfluss an Besitztümern, die kollektiv chaotische und ungeordnete Lebensräume schaffen, auf die Psyche schlägt. Das Ergebnis einer Umfrage bei US-amerikanischen und kanadischen Haushalten ergab verkürzt gesagt: Je mehr Unordnung, desto weniger Lebenszufriedenheit.

Menschen, die ihre Wohnung als aufgeräumt beschrieben, zeigten ein gesünderes Kortisollevel und weniger depressive Stimmungen, als solche, die ihr Heim als chaotisch erlebten. "Das steht im Gegensatz zu dem, was die Leute vielleicht denken", betonte Joseph Ferrari, Psychologiedozent an der DePaul University in Chicago und Mitautor der Studie damals. "Sie denken, dass man mehr haben muss, und dass Leute im Überfluss glücklicher leben - nein."

Ein überfülltes Schlafzimmer kann sich übrigens auch auf die Schlafqualität auswirken, das legte eine Studie unter der Leitung der klinischen Psychologin Pamela Thacher nahe. Da das Schlafzimmer ein privater Raum ist, ist es einfacher, Unordnung wachsen zu lassen. Thacher fand heraus, dass Menschen mit Messie-Tendenzen, die mehr Sachen in ihrem Schlafzimmer haben, länger zum Einschlafen brauchten als diejenigen, die ihr Zimmer sauber und ordentlich halten.

Hausarbeit bedeutet mehr körperliche Aktivität

Nicole Keith, außerordentliche Professorin am Institut für Leibeserziehung an der Indiana University-Purdue University Indianapolis, untersuchte ab dem Jahr 2000 im Rahmen einer Längsschnittstudie, ob es einen Zusammenhang zwischen Hausarbeit und körperlicher Fitness gibt. An der Studie nahmen 998 Amerikaner im Alter von 49 bis 65 Jahren teil. „Am Ende des Tages schien der innere Zustand eines Hauses ausschlaggebend für die körperliche Aktivität zu sein“, sagte Keith. Wer Staub wischt, putzt, Wäsche wäscht, ist aktiv. Die Studie warf weitere Fragen auf, zum Beispiel die, ob jene Menschen, die sich um ihren Körper kümmern, auch jene sind, die sich um ihr Zuhause kümmern?

2021 erschien die Yishun-Studie, sie untersuchte, wie sich Hausarbeit auf die kognitiven und körperlichen Fähigkeiten bei jüngeren und älteren Erwachsenen in Singapur auswirkt. Kurze Antwort auch hier: Hausarbeit bedeutet mehr körperliche Aktivität und wirkt sich daher wie andere Bewegungsarten auch positiv auf die Gesundheit aus, insbesondere bei älteren Menschen. Jene Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die intensive Hausarbeit leisteten, waren laut der Studie fitter als jene, die sich weniger im Haushalt engagierten. Bei mentalen Tests schnitten sie insgesamt um fünf bis acht Prozent besser ab. Für kausale Ergebnisse müsste die Studie dennoch größere Kreise ziehen.

Volle Konzentration am leeren Tisch

"Wenn ein unordentlicher Schreibtisch einen unordentlichen Geist repräsentiert, was repräsentiert dann ein leerer Schreibtisch?“, sagte einst der große Geist Albert Einstein und wurde viele Jahre später von der Wissenschaft überrannt. Forscher des Neuroscience Institute der University of Princeton haben mittels Kernspintomografie herausgefunden, dass uns Chaos ablenkt. In ihren Studien zur Aufmerksamkeitsforschung hat Sabine Kastner herausgefunden, dass Einstein Unrecht hatte. Als sie Probandinnen und Probanden aufforderte, sich auf ein Objekt zu konzentrieren, während sie ein anderes Objekt in ihr Gesichtsfeld einführte, entdeckte Kastner eine unscharfe Version dieses zweiten Objekts im Gehirnscan.

Sie kam zu dem Schluss, dass es in jeder Umgebung sowohl einen „Drang“ zu gewünschten Objekten als auch einen „Zug“ von Objekten gibt, die um Aufmerksamkeit konkurrieren. Je mehr Objekte im Gesichtsfeld sind, desto mehr muss das Gehirn arbeiten, um sie herauszufiltern, was dazu führt, dass es mit der Zeit ermüdet und seine Funktionsfähigkeit verringert. In diesem Sinne, immer schön den Schreibtisch aufräumen.

Marie Kondo
Marie Kondo (c) REUTERS (Brian Snyder)

Und wo fängt man an?

Wer aufräumt, bewegt sich übrigens im sicheren Feld einer populären Bewegung und kann sich an vielen Ecken zum Thema einlesen. In den USA bekommen Aufräum-Experten seit einigen Jahren viel Aufmerksamkeit. Die turbokapitalistische Lebensart hat viele Häuser, Garagen und Storages angefüllt. Und wer alles hat, will es eben manchmal auch gern wieder loswerden. Siehe: Besitz belastet. Die Aufgabe heißt dann „Decluttering“, also Kramuri beseitigen. Die berühmte (wegen ihrer eignen Krimskrams-Produkte auch berüchtigte) Marie Kondo sah bekanntlich das Magische im Aufräumen - bis sie Kinder hatte. Vor der Familiengründung hieß es noch: Alles kommt weg, was keine Bedeutung für den Besitzer hat. Das ist ein bisschen Feng Shui, nur mit dem Unterschied, dass man seinen ganzen Krempel in verschiedenen Themengruppen zuerst auf einen Haufen schmeißt, um sich vor Augen zu führen, dass man definitiv zu viel davon hat.

Joshua Fields Millburn und Ryan Nicodemus setzen bei selbiger Aufgabe auf Zahlenspiele: Am ersten Tag des Monats kommt eine Sache weg, am zweiten zwei, am dritten drei usw. Am Ende des Monats ist der Haushalt im besten Fall von Unnötigem befreit. Colleen Madsen sticht in das gleiche Nest, nur ohne weniger Risiko, sich zu verzählen. Ein ganzes Jahr lang wird täglich eine Sache weggeschmissen, verschenkt oder verkauft. Pastor Joshua Becker ist ein weiterer Pionier der US-Minimalismus-Bewegung. Bei ihm wird Raum für Raum ausgemistet. Ein anderer US-Guru ist Peter Walsh. Hier darf jedes Zimmer komplett ausgeräumt, neu konzipiert und in abgespeckter Form wieder eingeräumt werden. Marla Cilley vulgo die „Fly Lady" konzentriert sich auf das Thema Putzen und teilt den Wohnbereich dazu in fünf Zonen ein, täglich wird eine Zone 15 Minuten lang genauer geputzt, so wird man auf Dauer nicht überfordert.

Zum Abschluss noch Hideko Yamashita, sie gehört zu Japans bekanntesten Aufräum- und Entrümpelungsexperten. Yamashita setzt auf 12-12-12 und Sha-Dan-Ri, bei dieser Methode wird ein Dutzend Sachen weggeschmissen, ein Dutzend verschenkt und ein Dutzend seinem eigentlichen Besitzer wiedergegeben. Laut Yamashita folgt auf Wegwerfen (Sha) und Verzicht (Dan) dann die innere Freiheit (Ri). Ein großes Versprechen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.