Junge Forschung

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Für ihre Arbeit zur Genre-Entwicklung im Wissenschaftsjournalismus wurde Jana Pflaeging mit dem Young Investigators Award ausgezeichnet.
Für ihre Arbeit zur Genre-Entwicklung im Wissenschaftsjournalismus wurde Jana Pflaeging mit dem Young Investigators Award ausgezeichnet. wildbild/Herbert Rohrer
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Die Sprachwissenschaftlerin Jana Pflaeging analysierte das Zusammenspiel von Bild und Text im renommierten populärwissenschaftlichen Magazin „National Geographic“.

Ursprünglich habe sie Bühnenbildnerin, später Lehrerin werden wollen, erzählt die gebürtige Thüringerin Jana Pflaeging. Kunst und Englisch waren die Fächer ihrer Wahl. „Aber plötzlich war ich mittendrin in der Wissenschaft“, schmunzelt sie. Schon vor ihrem Abschluss 2014 an der Uni Halle-Wittenberg und der Burg Giebichenstein Hochschule für Kunst und Design wurde die heute 37-Jährige intensiv in das dortige Forschungsgeschehen eingebunden. So fiel der Entschluss, umzusatteln und in der Wissenschaft zu bleiben. Nach Salzburg, wo sie mit Unterbrechungen seit 2015 im Fachbereich Anglistik und Amerikanistik forscht und arbeitet, brachte sie ein binationales PhD-Programm.

Pflaeging hat in einem Feld promoviert, das ihre beiden Interessensgebiete verbindet: die multimodale Textlinguistik, die auch nicht sprachliche kommunikative Mittel wie Bilder in den Blick nimmt. Die Anglistin, die damit methodisches Neuland betrat, konzentrierte sich auf Feature-Artikel – eine Mischung aus Reportage und Dokumentation – der 1888 gegründeten Zeitschrift „National Geographic“. Sie untersuchte, wie sich dieses Genre im Lauf eines Jahrhunderts veränderte, um für ein immer größeres Publikum attraktiv zu bleiben.

Kürzere Texte, größere Bilder

„Mich interessiert die Verbindung von Sprache und Bildern“, erklärt sie. „Auch das Layout und typografische Entscheidungen prägen die Bedeutung journalistischer Inhalte.“ Für ihre Studie wählte sie 45 Artikel aus den Jahren 1915, 1965 und 2015 aus. Das ergab einen Datensatz von knapp 1300 Seiten. Im Lauf der Zeit wurden die Features immer kürzer und reduzierte sich die Bildanzahl. Allerdings: „Es gibt heute zwar weniger Bilder, aber die Bildflächen wurden größer. Manche sehr ästhetisch komponierten Fotos füllen Doppelseiten.“ Gerade die jüngeren Beiträge seien durch zwei Rezeptionsangebote gekennzeichnet: „Es gibt die Möglichkeit, geleitet von den Bildern, schnell durch den Artikel zu blättern, jedoch auch viel Angebot für ein vertieftes Lesen.“ Damit würden die Macherinnen und Macher von „National Geographic“ dem immer knapper werdenden Zeitbudget ihres Publikums gerecht werden. In den USA lag das 2015 im Schnitt bei nur 13 Minuten täglich für das Lesen eines Magazins.

Eine weitere Beobachtung Pflaegings war die zunehmende Verschränkung von Bildern und Bildunterschriften: „Heute gibt es eigene Leute, die nur die Bildtexte schreiben. Früher waren das oft Zitate aus dem Fließtext, die mit dem Bild eher lose verbunden waren.“ Zudem veränderten sich die Fotos an sich: Waren früher häufig Landschaften abgedruckt, erlebte die menschenzentrierte Fotografie in den 1960er-Jahren einen Aufschwung. Auf fast zwei Dritteln der Bilder waren Personen der Hauptgegenstand. Auch der Blick auf den Menschen habe sich gewandelt, so Pflaeging. Während sich vor hundert Jahren gehäuft problematische Sichtweisen auf nicht weiße Menschen nachweisen lassen, zeigt sich in den jüngeren Artikeln ein klarer Trend zur Wertschätzung des Individuums.

Aktuell bereitet die Forscherin die Publikation ihrer Dissertation, für die sie Anfang des Jahres auch mit dem Young Investigators Award der Uni Salzburg ausgezeichnet wurde, vor. Künftig will sie sich den Fließtexten in „National Geographic“ widmen, um aus Veränderungen darin weitere Popularisierungsstrategien abzuleiten. Außerdem ist sie Teil einer soziolinguistischen Forschungsgruppe, die unter anderem erforscht, inwiefern eher informelle Aussprachevarianten im Englischen bei Nachrichtentexten dazu führen, dass Sprecherinnen und Sprecher als weniger professionell bewertet werden.

In der Stadt Salzburg, wo sie gemeinsam mit ihrer Partnerin lebt, hat Pflaeging mittlerweile eine zweite Heimat gefunden. Ausgleich zur Forschung schafft sie im eigenen künstlerischen Gestalten. Die Anglistin visualisiert nicht nur linguistische Themen, die dadurch breiter zugänglich gemacht werden, sondern hat auch stets einen Skizzenblock bei sich, um Alltagsgegenstände oder Landschaften zu Papier zu bringen.

Zur Person

Jana Pflaeging (37) wurde in Thüringen geboren und studierte in Halle Englisch und Kunst. Anschließend war sie an den Unis Halle und Bremen als Forschungsassistentin tätig. Ihre Dissertation verfasste Pflaeging im Rahmen eines binationalen Programms auch an der Uni Salzburg, an der sie seit 2022 als Postdoc im Fachbereich Anglistik und Amerikanistik forscht.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2023)

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