Titelkampf

Schach-WM: Nepo verfällt in den alten Selbstzerstörungsmodus

Jan Nepomnjaschtschi
Jan NepomnjaschtschiREUTERS
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Jan Nepomnjaschtschi verspielte mit groben Patzern Sieg und WM-Führung, Ding Liren glich in der zwölften Partie zum 6:6 aus.

Astana/Wien. 26 Züge lang sah alles danach aus, dass der neue Schach-Weltmeister Jan Nepomnjaschtschi heißen würde. Der Russe hatte sich in der zwölften WM-Partie gegen Ding Lirens Colle-System einen klaren Vorteil erarbeitet: Es war angerichtet, um seine Führung auf zwei Punkte auszubauen, was angesichts von lediglich noch zwei ausstehenden regulären Partien wohl der Entscheidung gleich gekommen wäre. Doch dann verfiel Nepo plötzlich in alte, schon überwunden geglaubte Muster und verspielte Sieg, Selbstvertrauen und womöglich den WM-Titel.

Denn es war nicht einer, sondern gleich mehrere grobe Patzer, die Nepo sich leistete, als er ohne Zeitnot im Blitztempo erst Turm, dann Läufer und schließlich Bauern so positionierte, dass nicht nur die Engines aufschrien. „Es geht jetzt nicht mehr um Schach, sondern rein um die Nerven: Jeder Zug, ein Fehler“, urteilte WM-Kommentator Fabiano Caruana, 2018 unterlegener Herausforderer von Magnus Carlsen.
Nicht das erste Mal in seiner Karriere war Nepo in den Selbstzerstörungsmodus verfallen und brachte sich selbst um den Lohn.

Nach 38 Zügen wurde seine insgesamt dritte Niederlage in diesem WM-Duell amtlich: Ding glich auf 6:6 aus. „Es ist nicht das Beste aus einer vermeintlich gewinnbringenden Position noch zu verlieren, aber ja, es passiert“, resümierte Nepo im Anschluss. Der 32-Jährige sprach von „großem Durcheinander“ auf dem Brett, „es sah vielversprechend aus, aber trotzdem muss man genau spielen und das habe ich nicht gemacht.“

Weniger die Niederlage an sich, als vielmehr die Art und Weise lässt WM-Beobachter zweifeln, ob Nepo sich von diesem krachenden Rückschlag bis zur heutigen 13. Partie (11 Uhr, live Youtube) erholen kann. Sein Ärger war schon am Brett offensichtlich, er schüttelte den Kopf, führte Selbstgespräche und vergrub immer wieder das Gesicht. Ding hingegen dürfte am anderen Ende des Stimmungsbarometers schweben. Gemeinhin nicht für große Emotionen bekannt, schaute er bei den Fehlern seines Rivalen noch schüchtern ungläubig, nach dem überraschenden Sieg entkam ihm gar ein breites Lächeln. Ein packendes WM-Duell erhält nun also das Finale, das es sich verdient.

(swi)

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