Kommunikationswissenschaft

Nur Salat und Protein-Shakes im Kopf

Junge Erwachsene, die sich auf Social Media für Gesundheit und Fitness interessieren, neigen zu einem zwanghaften Essverhalten.

Sicher, viele Menschen haben das Bedürfnis, sich gesund und ausgewogen zu ernähren. Wird dieses Bedürfnis zwanghaft, spricht man von Orthorexia nervosa. Menschen, die darunter leiden, beschäftigen sich übermäßig mit der Qualität von Lebensmitteln. Selbst auferlegte Essensregeln und starke Beschränkungen können in Folge zu psychischen und physischen Beeinträchtigungen führen. Betroffene ernähren sich defizitär, ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück oder fühlen Angst in Verbindung mit Nahrungsaufnahme.

Forscherinnen und Forscher der Uni Klagenfurt sind nun den Effekten von Social Media auf die Herausbildung von Orthorexia nervosa nachgegangen. Dazu werteten Rebecca Scheiber, Sandra Diehl und Matthias Karmasin vom Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft Fragebögen von 647 deutschsprachigen Frauen, Männern und nicht binären Personen im Alter von 18 bis 30 Jahren aus, die sich an ihrer Online-Studie beteiligt hatten. Sie fanden heraus: Je mehr sich junge Erwachsene für Gesundheits- und Fitnessinhalte interessieren, desto eher neigen sie zu einer problematischen Fixierung auf Ernährungsintentionen.

Personen, die entsprechende Accounts stärker im Fokus haben, neigen auch eher dazu, ein bestimmtes Körperideal zu internalisieren: Angestrebt werden dünne und muskulöse Körper. Erstaunlich für das Forschungsteam war, dass der Vergleich zwischen eigenem Aussehen und den als idealtypisch präsentierten Körpern weniger wichtig für die Zusammenhänge zwischen Social-Media-Konsum und Orthorexie-Tendenzen ist.

Instagram und Co. als Risiko

Die Ergebnisse – sie wurden im Fachmagazin Appetitepubliziert – können als erste Hinweise darauf interpretiert werden, dass soziale Medien und das Engagement mit spezifischen Gesundheits- und Fitnessinhalten als Risikofaktor für Orthorexie betrachtet werden kann. Das ist vor allem auch deshalb problematisch, weil die Lockdowns in der Pandemie zu einem höheren medialen Druck und einer höheren Internalisierung von dünnen und muskulösen Körpern geführt haben.

„Vielerorts dominieren Salat und Pilates, Protein-Shakes und Crunches (eine Übung zum Training der Bauchmuskulatur; Anm.) den Lifestyle von jungen Menschen. Das Gesunde ist dann nicht mehr nur noch gesund“, sagt Rebecca Scheiber, die auch Erstautorin der Publikation ist. „Wir brauchen eine höhere Aufmerksamkeit für dieses Thema. Die Nutzerinnen und Nutzer von Social Media sollen sich verstärkt bewusst sein, dass der Content dieser Accounts einen Einfluss auf ihr eigenes Verhalten haben kann.“ Sie betont die Rolle der Influencerinnen und Influencer – also jener Menschen, die in sozialen Netzwerken viele „Freunde“ bzw. „Follower“ haben – bei dieser Aufklärung. Scheiber: „Aber auch Organisationen im Bereich Public Health können intervenieren.“

Zur Publikation:Socio-cultural power of social media on orthorexia nervosa (Appetite, 2023)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2023)

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