Buch

Redlich, sittsam, Frau

Einer deutschen Pionierin der Frauenbewegung hat Sanne Jellings in„Helenes Stimme“eine solche gegeben. Roman über eine zu Unrecht wenig Beachtete.

Das berühmte Diktum aus dem ersten Korintherbrief von Paulus, dass die Frauen in der Kirche schweigen mögen, beginnt manchmal schon im Pfarrhaus. Dort nämlich, in Eningen in der Schwäbischen Alb, verbringt Helene Lange ein Pensionatsjahr, nachdem sie Vollwaise geworden ist. Sie soll lernen, was für junge Mädchen wichtig ist oder zu sein scheint.

Die Familie des Pfarrers ist nett und freundlich, dennoch ist Helene verstört: Bei den philosophischen Diskussionen, die hier gern und oft geführt werden, dürfen Frauen nicht mitreden. Und sie haben auch sonst wenig Rechte. Im ausgehenden 19. Jahrhundert ist ihr Daseinsgrund, Ehefrau und Mutter zu werden – und sonst nichts. Was aber, wenn die Mädchen auf eigenen Füßen stehen wollen oder an den falschen Mann geraten, der, statt die Familie zu versorgen, das Geld ins Wirtshaus trägt? Pech gehabt. Den Frauen ist es bis auf wenige Ausnahmen untersagt, Geld zu verdienen. Meistens können sie das ohnehin nicht, weil sie keine Ausbildung haben.

Sanne Jellings' Roman erzählt von einer der Pionierinnen der deutschen Frauenbewegung. Er spielt auf zwei Zeitebenen. Der eine Strang beschreibt die alte Helene im Jahr 1926, der andere das Mädchen, das 1864 ins Pfarrhaus kommt und dort beginnt, über die Stellung der Frau nachzudenken. Jellings erzählt die Geschichte bis auf die aufwühlenden Passagen in einem Modus wohltuender Gelassenheit. Nur manchmal wird zu langwierig erklärt, statt das Erklärte in eine Geschichte zu verpacken.

Literaturhinweis

  • Sanne Jellings: „Helenes Stimme“, Rowohlt-Verlag, 209 S., 21,50 Euro
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Mit finanzieller Unterstützung von Morawa.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2023)

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