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Die Glanzzeit des Lehmbaus könnte erst anbrechen

Excavator bucket. Huge excavator in the evening.
Excavator bucket. Huge excavator in the evening.(c) Getty Images/iStockphoto
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Wie der Klimawandel dem ältesten aller Baustoffe eine neue Rolle verleiht.

Wenn ein Baustoff wirklich nachhaltig in Verwendung ist, dann wohl der Lehm. Immerhin wurde bereits das Grab von Pharao Ramses II. mit Lehmziegeln gebaut. Jahrtausende später fristet das – neben Holz – älteste Baumaterial des Menschen heute ein Nischendasein, verdrängt durch „gebrannte“ Ziegel, Beton und Co. Für den Klimaschutz ist diese Konstellation im Bausektor nicht unbedingt förderlich: Industrielle Ziegelproduktion ist energieintensiv, und beim Betonbau werden bei der Umwandlung von Kalkstein in Zement jede Menge Treibhausgase frei. Lehm hingegen ist ein natürlicher Baustoff, also schon in seinem Wesen zuträglicher für die Klimabilanz. Für Andrea Rieger-Jandl, Bauforscherin an der Technischen Universität Wien, ist das aber nicht das einzige Argument: „Man kann mit ungebranntem Lehm ausgezeichneten Wohnkomfort erreichen. Ähnlich wie Ziegel können Wände aus Lehm die Temperatur gut speichern.“ Der entscheidende Vorteil von Lehm liege aber in der Stabilisierung der Luftfeuchtigkeit: „Lehm kann diese problemlos aufnehmen und wieder abgeben. Im Badezimmer zum Beispiel beschlagen nach dem Duschen die Spiegel nicht, weil die Feuchtigkeit automatisch reguliert wird.“

Stabiles Raumklima

Ebenso lassen sich mit Wänden aus Lehm gute Dämmwerte erzielen – wenn man sie etwa mit Stroh kombiniert. Für die Kosten eines Gebäudes ist der Arbeitsaufwand eine entscheidende Größe: Hierbei gibt es mittlerweile mobile Geräte zur Lehmverarbeitung, mit denen man direkt vor Ort aus dem Aushub der Baugrube die nötigen Materialien herstellen kann – für die Bauindustrie ein potenzieller Gamechanger. Dass das bisher kaum passiert, liegt zum Teil an den rechtlichen Rahmenbedingungen: Lange Zeit galt der Aushub einer Baugrube automatisch als Abfall und musste entsorgt werden. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs Ende 2022 darf der meist lehmreiche Bauschutt nun verwendet werden – das könnte den Aufschwung des Lehmbaus deutlich beschleunigen, ist Rieger-Jandl überzeugt: „Man verwendet als Rohstoff für das Haus etwas, was man sonst abtransportieren und entsorgen müsste und spart sich den Ankauf und den Transport von Baumaterialien.“ Diese Baumethode ist noch ungewöhnlich, könnte das Bauen (mit Lehm) aber deutlich billiger machen.

Lehmbau in großem Maßstab

Die höheren Kosten sind für den langjährigen Lehmbau-Forscher und Bautechniker Roland Meingast auch der Hauptgrund, warum der Einsatz von Lehm auch im Gewerbebau noch nicht zum Mainstream geworden ist: „Der Kostenunterschied kommt primär daher, dass die konventionellen Bautechniken noch immer nicht für die mehrfach höhere Umweltbelastung zahlen müssen, die sie verursachen.“ Meingast spricht diesbezüglich von einer Marktverzerrung. „Und da der moderne Lehmbau deshalb nur in einer Marktnische existiert, ist der Industrialisierungsgrad bescheiden, was sich auf die Herstellungskosten auswirkt“, erklärt der Lehmbau-Experte.

Tatsächlich werden etwa Stampflehm-Gebäude heute noch so „halb automatisch“ produziert, „wie vor 60 Jahren die Betonkonstruktionen realisiert wurden“, meint Martin Rauch, Baumeister und Geschäftsführer von Lehm Ton Erde. Auch er bestätigt: „Der Hausbau mit Lehmelementen kostet derzeit noch 30 Prozent mehr als bei einem Standardhaus.“

Trio aus Holz, Lehm und Stroh

Die vielversprechendste Kombination natürlicher Baustoffe, um massentauglich zu werden, ist für Meingast folgende: eine Fertigteil-Holzkonstruktion mit Lehmbeschichtung und Stroh als Dämmstoff. Wie das klimafreundlich funktioniert, veranschaulichte er bereits mit dem Lehm-Passivbürohaus in Tattendorf (NÖ): Mit diesem sei es gelungen, ein kommerziell genutztes Gebäude als „begehbare Studie“ zu schaffen, das die Aspekte der Nachhaltigkeit, der Baubiologie und des Energiesparens anschaulich integriere. Bei einer quantitativen ökologischen Bewertung der Herstellung erhielt das Gebäude mit null von 100 Ökoindex-Punkten die beste mögliche Bewertung.

„Nachahmungsprojekte“ gibt es hierzulande bereits einige: zum Beispiel die Druckerei Gugler in Melk (Niederösterreich) mit ihrer zweigeschoßigen Eingangshalle oder das Wohnprojekt „Haus ohne Beton“ in Breitenfurt (Niederösterreich) aus Holz und Lehm.

Moderner Lehmbau

Vorteile. Lehm ist ein natürlicher, langlebiger Baustoff, der ein gesundes Raumklima schafft. Er kann umweltfreundlich hergestellt, wiederverwendet und entsorgt werden, im Idealfall dient der Aushub vor Ort als Baumaterial. Lehmwände können gute Dämmwerte erzielen, etwa in Kombination mit Stroh.

Nachteile. Lehm ist empfindlich gegen Feuchtigkeit und Kälte, solang er noch nicht vollkommen ausgehärtet ist. Das kann mehr als zwei Wochen dauern, und selbst dann ist er ungeschützt durch Wasser löslich. Lehmbau kostet bis dato mehr als konventionelle Bautechniken.

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