Brüssel-Briefing

Nachruf auf das EU-Spitzenkandidatensystem

Nach zwei ernüchternden Einsätzen wird die Regel, dass die stimmenstärkste Partei automatisch den Kommissionspräsidenten stellen darf, bei der Europawahl 2024 nicht mehr angewendet werden.

Hände hoch - oder ich schieße mir selbst in den Kopf: neulich trat der liberale belgische Europaabgeordnete Guy Verhofstadt mit dieser Form eines Bumerang-Ultimatums an die Öffentlichkeit. Er werde bei der nächsten Europawahl nicht mehr antreten und seine politische Karriere, deren Höhepunkt das Amt des Ministerpräsidenten war, somit beenden. Außer natürlich, schob er gegenüber der Zeitung „Tijd“ nach, es gäbe erstmals transnationale Kandidatenlisten. Also solche, deren Wahlkreis die gesamte EU ist, und für deren Kandidaten alle Europäer ungeachtet ihrer Nationalität bei der Europawahl eine Zweitstimme abgeben können. In diesem Falle würde er sich ein letztes Mal ins Rennen werfen, um diesem Ziel, an dem er seit 20 Jahren arbeite, zur Verwirklichung zu helfen.

Der schlaue Fuchs Verhofstadt weiß es vermutlich selbst am besten, in aller Klarheit aber sei es festgehalten: es wird nächstes Jahr, beim EU-weiten Urnengang von 6. bis 9. Juni, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine transnationalen Listen geben. Und es wird, verbunden damit, auch keinen Spitzenkandidaten-Prozess geben. Denn die nationalen Regierungen wollen das nicht: aus machtpolitischen Gründen, aber auch, weil die Verbindung der transnationalen Listen mit dem Spitzenkandidaten-Modell - und das mag nun kontrafaktisch klingen - konstitutionell und demokratisch fragwürdig ist.

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