Cruise-Kollektion

Nixen gewesen: Louis Vuitton, historisch wertvoll am Lago Maggiore

Models bei der noch nicht ins Wasser gefallenen Generalprobe.
Models bei der noch nicht ins Wasser gefallenen Generalprobe. (c) APA/AFP/GABRIEL BOUYS (GABRIEL BOUYS)
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Die Wasserwelt des Sees hatte Designer Nicolas Ghesquière inspiriert. Das geplante Gartendefilee fand nicht statt, historische Räume des Palazzo Borromeo verliehen der Mode eine neue Bedeutung.

Es hätte so schön sein können: Tags zuvor, es scheint die Sonne in Oberitalien, schreibt eine Bekannte aus der Mailänder Modeszene, wieviel Glück man mit dem Wetter habe - endlich sei die Herbststimmung dem Frühling, ja Frühsommer gewichen. Und wie gut hätte das in der Tat gepasst, zu einer Cruise-Kollektion, die bekanntlich zum Sommerlichsten zählt, das die Mode anzubieten hat - selbst wenn sie um die Weihnachtszeit in den Handel kommt.

Dann ist aber doch alles anders, der Himmel öffnet seine Schleusen und hat an diesem Abend keine Lust, sie wieder zu schließen: Das einmalige Setting der Terrassengärten auf der Isola Bella, einer Privatinsel des Borromeo-Clans auf der piemontesischen Seite des Lago Maggiore, das für das Defilee von Louis Vuitton bestimmt wurde, bleibt den über 900 Gästen unzugänglich (ebenso wie die gesamte Isola übrigens in diesen Tagen für die Touristen in der Region).

Das Produktionsteam der Luxusmarke nutzt ein kurzes regenarmes Zeitfenster am Nachmittag, um das für den Abend geplante Defilee für Video- und Fotoaufnahmen zu antizipieren. Die tags darauf weltweit verbreiteten Bilder geben also nicht das wider, was hier vor Publikum geschieht; kurz werden Erinnerungen an die digitalen Präsentationsformate der Pandemiezeit wach. Andererseits gibt dies der Modeschau vor Publikum am Abend, die ins Innere des Palazzo Borromeo verlegt wurde, einen eigentümlichen Charakter: Ist sie nun das eigentliche exklusive Format, intimer angelegt und irgendwie von den Augen der Öffentlichkeit abgeschnitten, oder doch primär ein Plan B? Man denkt vielleicht an Sommertheateraufführungen in Gemeindesälen oder dergleichen statt auf den dafür vorgesehenen Freilichtbühnen, die freilich meist einen leicht derivativen Charakter annehmen.

Faltenwurf statt Flossenhaut

Unweigerlich verschiebt sich durch die Verlegung des Veranstaltungsortes auch das Zentrum der Aufmerksamkeit: Die Nixen und Sirenen, die Looks, in denen Hausdesigner Nicolas Ghesquière Wasserwesen evoziert und die (übrigens vielleicht etwas sehr wörtlich) sowohl auf die subaquatische Fantasiewelt des Lago Maggiore verweisen wie auf die berühmten Grotten des Palazzo Borromeo mit ihrem Muschelverputz, sie sind in den Innenräumen des Palasts weniger in ihrem Element als die historisierenden Zitate da und dort, zuvorderst barock angelegter Kopfputz, die im Dialog mit den Prunkräumen und Kunstwerken stehen.

Bei einer Rüschenbahn denkt man hier dann auf einmal weniger an die Flosse einer Nixe als an die üppigen Stoff- und Faltenwürfe einer historischen Bettstatt (Napoleon nächtigte einst auf der Isola, ebenso wie seine Gattin Joséphine de Beauharnais) oder das Textil eines Wandteppichs. Auch Perlenstickereien, angelegt als ein Zitat von Wassertropfen, verändern in diesen Gemächern leicht ihren Charakter und werden zum barocken Ornat.

Nicolas Ghesquière ließ sich von der subaquatischen Fantasiewelt des Lago Maggiore inspirieren.
Nicolas Ghesquière ließ sich von der subaquatischen Fantasiewelt des Lago Maggiore inspirieren. (c) APA/AFP/GABRIEL BOUYS (GABRIEL BOUYS)

Die Kollektion funktioniert freilich ungeachtet aller Bedeutungsverschiebungen im Drinnen wie im Draußen, der Regen übrigens trägt das Seine zur Stimmigkeit von Wasserfantasien bei. Dass nach Ende der Show selbst Catherine Deneuve und Cate Blanchett etwas verloren, Seite an Seite im Regen stehend, vor einem VIP-Bootssteg auf die Rückkehr ihres Kapitäns warten müssen, um die Isola gen Festland zu verlassen, trägt dann noch ein wenig zu einem melancholischen Erzählstrang mit Wasseruntermalung bei. Und kommt übrigens nicht auch die neue Fassung von „Arielle" dieser Tage ins Kino?

Compliance-Hinweis: Der Autor reiste auf Einladung von Louis Vuitton nach Italien.

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