Kino

Erste Liebe und Geister in der Provinz Kanadas

Charlotte Le Bon überzeugt mit ihrem Regiedebüt „Falcon Lake“. Im Kino.

Coming-of-Age-Filme, die im Landurlaub spielen, haben eine lange Tradition. Der deutsche Regisseur Christian Petzold beklagte unlängst den Mangel solcher im deutschsprachigen Raum – im Vergleich etwa zum französischsprachigen. Ein schönes jüngeres Beispiel: „Falcon Lake“, basierend auf Bastien Vivès' Graphic Novel „Eine Schwester“. Das Regiedebüt der Schauspielerin Charlotte Le Bon handelt vom sexuellen und romantischen Erwachen eines schüchternen 13-Jährigen, den die kaum präsenten Eltern in die kanadische Provinz mitgenommen haben.

Dort verliebt sich Bastien (Joseph Engel) Hals über Kopf in Chloé (Sara Montpetit), die etwas ältere Tochter der Bekannten seiner Eltern. Sie ist selbstbewusster als er, trinkt Alkohol, kann unverkrampft scherzen und flirten. Bastien ist gebannt von ihrem offenen Wesen, auch erotisch. Allerdings treiben die beiden auch seltsame Spielchen: Sie werfen sich Bettlaken über, für morbide Streiche und Fotos, beschwören etwa den Geist eines Buben, der in der Gegend ertrunken sein soll. Eine Mutprobe sieht wiederum vor, dass Chloé Bastien für jeden Zentimeter, um den er tiefer in einen See steigt, ein bisschen mehr von ihrem Busen zeigt.

Eine impressionistische Inszenierung von Natur erdet die gespenstische Stimmung von „Falcon Lake“: Die umliegende Wildnis wirkt im Film prachtvoll und gleichgültig zugleich. Es bedarf keiner expliziten Fantastik, um sie geheimnisvoll und übermächtig anmuten zu lassen. Wie Le Bon beweist, genügt es völlig, sie mit Respekt abzubilden. Umso aufregender erscheint später, wenn sie tatsächlich etwas Übernatürliches offenbart. (mt)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2023)

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