Die Staatsanwältin Ilda Boccassini ermittelt bereits seit vielen Jahren gegen den italienischen Premier Berlusconi. Wegen Bestechung und Korruption brachte die 61-jährige Juristin ihn schon mehrmals vor Gericht,
Rom. Silvio Berlusconis Abneigung gegen die „kommunistische“ Justiz Italiens ist notorisch, und dieser Tage wird sie nicht gerade gemildert: Fast 700 Seiten Beweismaterial haben drei Mailänder Ermittler im Fall „Ruby-Gate“ gegen den 74-jährigen Premier gesammelt. Die Vorwürfe wiegen schwer. Er steht unter Verdacht, gegen Geld mit minderjährigen Prostituierten verkehrt und sein Amt missbraucht zu haben. Treibende Kraft ist eine Staatsanwältin, die Berlusconi schon seit Jahren bis zur Weißglut reizt: „Ilda la Rossa“, die „Rote Ilda“, wird Ilda Boccassini in Italien genannt, und wenn ihre Gegner sie so bezeichnen, geht es nicht nur um ihr kupferrotes Haar. Gemeint ist auch ihre angeblich subversive Gesinnung, obwohl Boccassini nie Kommunistin und nie politisch aktiv war.
Als neuen „Beweis“ grub eine von Berlusconis Zeitungen jetzt sogar eine Liebschaft der Juristin mit einem linksradikalen Journalisten aus – sie trug sich vor fast 30Jahren zu. Die rote Ilda und Silvio Berlusconi, das ist die lange Geschichte einer innigen Feindschaft. 1994 wechselte der Mailänder Medienmagnat in die Politik, und fast ebenso lange ermittelt Boccassini gegen ihn.
„Meine Waffe sind die Akten“
Wegen Bestechung und Korruption brachte sie ihn schon mehrmals vor Gericht, und auch wenn er nie rechtskräftig verurteilt wurde, die 61-jährige Juristin ist keine, die so schnell aufgibt. Seit Jahrzehnten kämpft die gebürtige Napolitanerin gegen organisierte Kriminalität und Mafia, vor mächtigen Gegnern ist sie noch nie zurückgeschreckt. Ihr Vorbild ist der sizilianische Richter Giovanni Falcone, mit dem sie eng zusammenarbeitete, ehe die Cosa Nostra ihn 1992 umbrachte.
Einen ihrer größten Triumphe konnte Boccassini im vergangenen Jahr feiern, als der Polizei in einer landesweiten Großrazzia mehr als 300 Mitglieder der Organisation ins Netz gingen, darunter auch der mutmaßliche neue Superboss Domenico Oppedisano im fernen Kalabrien. Ihre Erfolge öffentlich auszuschlachten aber liegt Boccassini fern.
Unter Kollegen ist sie gefürchtet, wegen ihrer scharfen Zunge, ihrer Kompromisslosigkeit und ihrer Ungeduld. Mehrmals musste sie sich in Disziplinarverfahren verantworten. Zur jüngsten Schmutzkampagne schwieg Boccassini: „Meine Waffe“, pflegt sie zu sagen, „sind die Akten.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2011)