Gravierende Probleme beim Chemie-Lehrernachwuchs

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Jährlich absolvieren 25 Studenten das Lehramtstudium Chemie. Der Bedarf an Chemielehrern kann damit nur schwer gedeckt werden. Durch die kommende Pensionisierungswelle, wird die Situation mehr verschärft.

"Gravierende Probleme" beim Nachwuchs von Chemie-Lehrern ortet der Präsident der Gesellschaft Österreichischer Chemiker (GÖCH), Herbert Ipser. Im vergangenen Jahrzehnt haben im Schnitt nur rund 25 Personen pro Jahr ein Lehramt für Chemie an einer heimischen Universität abgeschlossen. Dem steht in den kommenden Jahren eine erwartete Pensionierungswelle bei Chemielehrern gegenüber. "Diesen Bedarf kann man mit diesen Absolventenzahlen nicht abdecken, das ist eine wirklich ernste Sorge", so Ipser.

Höhersemestrige müssen an Schulen lehren

Schon jetzt müssten höhersemestrige Studenten über Sonderverträge an Schulen unterrichten. "Das ist nicht Sinn der Sache, aber die Direktoren wissen sich nicht anders zu helfen", erklärte Ipser, der Vorstand des Instituts für Anorganische Chemie und Materialchemie an der Uni Wien ist.

Im vergangenen Jahr hat die GÖCH begonnen, in 7. und 8. AHS-Klassen für das Lehramtsstudium Chemie zu werben. "Das Problem ist, dass jemand, der Chemie studiert, schon wirklich ein Herz für den Lehrberuf haben muss. Denn in der Industrie geht es einem momentan besser", sagte Ipser unter Hinweis vor allem auf das schlechte Image der Lehrer.

Lehrer-Mangel in den großen Bundesländern

Eckehard Quin, Vorsitzender der AHS-Lehrergewerkschaft und selbst Chemie-Lehrer, schätzt, dass in den nächsten acht bis zehn Jahren die Hälfte der Chemie-Lehrer in Pension geht. In den meisten Regionen gebe es jetzt schon einen Mangel. Vor allem in den großen Bundesländern Wien, Niederösterreich und Oberösterreich sei der Mangel stark.

Neben Sonderverträgen helfen sich die Schulen mit Überstunden von regulären Chemie-Lehrern bzw. Lehrenden mit der "Kleinen Chemie": Bio- und Physik-Lehrer durften früher durch das Absolvieren einiger Lehrveranstaltungen in der Unterstufe Chemie unterrichten. Diese Möglichkeit gibt es zwar mittlerweile nicht mehr, doch jene Lehrer mit dieser Berechtigung sind nach wie vor im Einsatz.

Skepsis gegenüber Bachelor-Studenten

Anders ist die Situation beim Diplom- bzw. Bachelor-Studium Chemie: Hier gab es im Schnitt der vergangenen Jahre rund 500 Studienanfänger. Die Absolventenzahl pendelt zwischen 150 und 200 jährlich. Nach Angaben des Fachverbands der chemischen Industrie haben diese Absolventen derzeit gute Berufsaussichten.

Je höher die Ausbildung, desto besser sind auch die Chancen, ist der GÖCH-Chef überzeugt. Die Wirtschaft schätze einen Abschluss wie das Doktorat, bei dem man schon mehrere Jahre selbstständig gearbeitet haben muss. Dagegen ist Ipser skeptisch, was die Beschäftigungsfähigkeit von Bachelor-Absolventen angeht. Seine Erfahrung ist, "dass alle, die irgendwie Interesse an dem Studium haben, auch gleich ein Masterstudium anschließen".

Chemie Drop-Out-Rate: bis zu 70 Prozent

Die Studienanfänger- und Absolventenzahlen zeigen aber auch die hohe Drop-Out-Rate in dem Studium von 50 bis 70 Prozent. Den Grund dafür sieht Ipser in der "völlig falschen Vorstellung, mit denen viele Studenten kommen". Viele hätten von Biochemie gehört, wollen den Geheimnissen der Natur auf die Spur kommen "und merken dann, dass man dafür auch Grundlagen braucht, an denen sie schließlich scheitern".

Ipser räumt ein, dass Schülern das Interesse am Fach oft schon in der Schule vermiest werde: "Daher würde uns ja sehr daran liegen, dass wir viele engagierte Chemielehrer haben." Der GÖCH-Präsident fordert auch mehr Chemie-Unterricht an den Schulen.

Derzeit werden an einer AHS nur in der 4., 7. und 8. Klasse je zwei Stunden Chemie pro Woche unterrichtet, da könne man keine Affinität zu dem Fach aufbauen. Auch Role-Models, wie es sie in anderen Fächern durchaus gibt, fehlen der Chemie offensichtlich, "da tun wir uns momentan ein bisschen schwer", meint Ipser.

(APA)

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