Marktentwicklung: Droht China eine Immobilienblase?

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Leerstand von teuren Wohnungen und ein Mangel an erschwinglichen Unterkünften stellen für Chinas Immobilienmarkt eine gefährliche Kombination dar.

Peking - Geistersiedlungen, in denen nach Einbruch der Dunkelheit kaum ein Licht brennt, gehören zu den merkwürdigen Erscheinungen der rasch wachsenden Städte in der Volksrepublik China. „Wieviel Wohnraum steht in China eigentlich leer?“, fragte vor einiger Zeit die Pekinger Abendzeitung und kam zu einem erstaunlichen Ergebnis: 65,4 Millionen Wohnungen im Land hätten laut einer Studie keinerlei Strom verbraucht – kontinuierlich über ein halbes Jahr.

Niemand lebte in diesen Räumen, eine andere Erklärung gab es nicht. Für die Pekinger Abendzeitung ist dies ein Beleg dafür, dass etwas sehr faul ist auf dem chinesischen Immobilienmarkt, und sie steht mit ihrer Meinung keineswegs allein.


Überall in China wird gemauert und gespachtelt – die Krise in anderen Ländern hat bei Chinas Bauwirtschaft keine Dellen hinterlassen. Aber ein gewaltiger Leerstand von teuren Wohnungen und ein akuter Mangel an erschwinglichen Unterkünften ist eine giftige Mischung, die großen Unmut in der chinesischen Bevölkerung hervorruft und der KP Kopfschmerzen bereitet. Die Propaganda-Behörden wiesen deshalb die Medien des Landes an, die „positiven Leistungen  der Regierung in Sachen Wohnungspolitik“ zu würdigen.

Steigende Wohnungspreise

Chinas Politiker versuchen, den Immobilienboom in den Griff zu bekommen. Aber bislang ohne viel Erfolg. Nach einer Berechnung der Firma Soufun, die Chinas größte Immobilien-Webseite entwickelt hat, verteuerten sich die Wohnungen im Jänner gegenüber dem Dezember in 100 Städten des Landes um ein Prozent auf durchschnittlich 8645 Yuan (962 Euro) pro Quadratmeter. Im Vormonat lag der Zuwachs bei 0,9 Prozent. In der südchinesischen Millionenmetropole Kanton (Guangzhou) zum Beispiel mussten Wohnungssuchende im Jänner 2011 um 2,5 Prozent mehr zahlen als noch im Dezember 2010. In Shanghai waren es „nur 0,7 Prozent mehr“, dort kostet der Quadratmeter Neubau mittlerweile durchschnittlich etwa 2700 Euro.

Insgesamt dürfte die chinesische Bauwirtschaft im Jahr 2010 „zweistellig gewachsen sein“, wie ein Report der „Germany Trade and Invest“ (gtai) der deutschen Außenhandelskammern jüngst feststellte.
Auch Brancheninsider warnen mittlerweile davor, dass die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt direkt in eine Krise hineinführen könnte, mit bösen Konsequenzen für die Wirtschaft des ganzen Landes und womöglich über seine Grenzen hinaus.

Zhang Xin, eine der prominentesten Geschäftsfrauen Chinas, leitet zusammen mit ihrem Ehemann den Immobilienkonzern Soho. In einem Interview mit dem Magazin „China International Business“ nahm sie im Jänner kein Blatt vor den Mund: Die  Blase  werde durch das viele Geld aufgeschäumt, das seit dem 2008 beschlossenen Konjunkturpaket von fast 450 Milliarden Euro und den damit verbundenen großzügigen Bankenkrediten in die chinesische Wirtschaft schwappt. 2009 flossen laut gtai-Report 49 Prozent mehr Darlehen in den Immobiliensektor als noch 2008.

Hoffnung auf Gewinne


Nicht nur Privatleute, auch viele branchenfremde Unternehmen steckten einen Teil dieser Gelder in immer neue Appartementblocks – mit der Hoffnung auf kräftige Gewinne bei schnellem Wiederverkauf. Gerade die staatlichen Konzerne Chinas, oft mächtig wie kleine Fürstentümer, treiben die Preise ohne Rücksicht auf Verluste in den Himmel.

Viele Wohnungen werden niemals vermietet, bestätigte auch Zhang: „Die Leute wollen einfach nur die Immobilien besitzen, selbst wenn sie leer stehen.“   Ihrer eigenen Firma Soho blieb nichts anderes übrig, als auf der Welle mitzuschwimmen. „Unsere Strategie ist es“, sagte sie, „viel Cash in der Hand zu halten, so schnell wie möglich zu verkaufen und unser Anlagevermögen rascher als früher umzuwälzen.“

Spekulationsfieber auf Insel Hainan

Das heißeste Spekulationsfieber erlebt gegenwärtig der Badeort Sanya auf der Tropeninsel Hainan: Dort stiegen die Quadratmeterpreise innerhalb eines Jahres um 19 Prozent, wie das Statistische Amt jetzt bekannt gab.
Umstritten in der Bevölkerung sind die Methoden, mit denen die Regierung Spekulanten beikommen will.

In den Millionenmetropolen Shanghai und Chongqing zum Beispiel werden die Wohnungen erstmals besteuert. Besonders empört reagierten viele Bewohner, als vor wenigen Tagen neue Vorschriften für die Hauptstadt bekannt wurden: Wer das Pech hat, aus anderen Provinzen Chinas zugezogen zu sein (rund ein Viertel der rund 17 Millionen Pekinger), darf künftig keine Wohnung mehr in Peking erwerben – es sei denn, er hätte dort bereits fünf Jahre kontinuierlich gearbeitet und Steuern gezahlt.


Alteingesessene Pekinger Familien mit vollem Stadtrecht – eine bis heute gültige bürokratische Unterscheidung aus dem 1950er-Jahren, die mit vielen Privilegien verbunden ist – hingegen haben es besser: Sie dürfen pro Familie eine zweite Wohnung kaufen, dann aber keine mehr.

Kein Geld für Sozialwohnungen?


Gleichzeitig kündigte Premierminister Wen Jiabao an, in den nächsten Jahren zehn Millionen Sozialwohnungen in China zu bauen, die günstig an ärmere Landsleute vermietet oder verkauft werden können. Allerdings: Ähnliche Vorhaben scheiterten bislang vielfach daran, dass die Finanzierung nicht gesichert war. Es gehört zu den Besonderheiten Chinas, dass die verantwortlichen Politiker den Statistiken ihrer eigenen Behörden gründlich misstrauen. Sie wissen, dass die Funktionäre in den Provinzen ihre Zahlen nicht selten nach den jeweiligen politischen Vorgaben abändern und schönen. Zudem ist oft unklar, ob sich hinter den Daten alle Arten von Gebäuden oder nur Wohnraum verbergen.

So errechnete das Statistikamt zwischen 2006 und 2009 Teuerungen auf dem Immobilienmarkt um satte 50 Prozent, während private Institute von einer Verdoppelung der Preise sprachen. Inzwischen haben die amtlichen Statistiker Konsequenzen gezogen. Mitte Februar gaben sie bekannt, dass sie künftig keinen jährlichen nationalen Immobilienpreis-Index mehr veröffentlichen werden. Statt dessen wollen sie nur noch separate Statistiken für einzelne Städte publizieren.

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