Spiderman, Catwoman und der Horrorhase aus Plüsch

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Schauspielhaus Wien: Das Theater an der Ruhr gastierte mit Ewald Palmetshofers „Helden“. Dem Drama geht die Luft aus.

Ewald Palmetshofer zerlegt in seinen Stücken mit Vorliebe Familien. Das kann ein Mordsspaß sein. Auch „Helden“ (Uraufführung 2009 in Mülheim), mit dem das Theater an der Ruhr am Dienstag im Wiener Schauspielhaus für einen Abend zu Gast war, beginnt als temporeiche Farce. Aber irgendwann im letzten Drittel von 100 Minuten geht dieser poppigen Inszenierung von Thomaspeter Goergen doch die Luft aus. Die Scherze werden albern und schließlich auch die tragikomischen Momente in diesem zerbrochenen Vorstadtidyll.

Schon der Beginn ist eine Warnung. Ein mannsgroßer weißer Plüschhase (im Kostüm verbirgt sich Martin Bross) knabbert an der Rampe Karotten. Über Lautsprecher gibt es Nachrichten von mysteriösen Brandanschlägen und den zwei Superhelden Spiderman und Catwoman. Blende. Auf der Bühne, einem schiefen Podest, sitzt eine Mutter, Doris (Petra von der Beek), mit der noch minderjährigen Tochter Judith (Albana Agaj) am niedrigen Esstisch. Ihr Ehemann Wolfgang (Klaus Herzog) und der Sohn (Fabio Menéndez) kommen mit einer guten Nachricht herein. David ist mit dem Studium fast fertig.

Die Eltern flüchten ins Wellness-Center

Daraus entspinnen sich absurde Dialoge. Die Sprache, mit der die Familie den Prüfungserfolg kommentiert, ist schrill wie das Ambiente; ein japanisch anmutender Raum mit verschiebbaren Wänden aus Holz und Papier, eine integrierte Badewanne dahinter. Vati, der Journalist, sieht aus wie ein gealterter College-Boy mit grünem Jackett. Mutti, die Lehrerin, trägt ein enges, schwarz-weiß gestreiftes Kleid mit Puffärmeln. Die Tochter, ein schmollender Teenager in luftigem Rosa mit silbernen Leggins, zerbirst fast vor animalischer Energie. Der Sohn trägt eine lila Trainingsweste und türkisfarbene Jeans. Er ist der Nachdenkliche, wird bald gestehen, dass er schwul ist. All diese Feststellungen und Geständnisse sind wunderbar gekünstelt. Jede Bemerkung verdeutlicht die Risse im Beziehungsgeflecht. Bald geht es ums ganze Leben. Je nach Gesprächssituation wechselt schlagartig die Stimmung. Agaj und Beek beherrschen die Nuancen, Herzog hingegen hat damit Mühe. Zwischen den Generationen herrscht Falschheit. Die Nachgeborenen fühlen sich benachteiligt – die Eltern sind ein Paradefall für gedanken- und rücksichtslose Wohlstandsverwahrlosung. Sie flüchten ins Wellness-Center – vergeblich.

Zum Nachtisch frisches Heldenhirn

Die Jungen aber sind längst in eine Traumwelt geraten, in der sie heroisch zu sein glauben. Ihre Situation verschärft sich, als ein Schulkollege Davids auftaucht, der erst mit Judith liiert ist, ehe er durch Volten überrascht. (Simone Thoma spielt dieses transsexuelle Wesen sehr reserviert.) Sind die Bürgerkinder Anarchisten? Tschabumm! Songs von Tod und Zerstörung. Der Hase, dieser Goliath, der zuvor versonnen Gewaltfantasien an die Papierwände gemalt hat, löffelt an der Rampe das Gehirn aus Davids Kopf. Das macht diese Helden ziemlich platt.

Zum Autor

Ewald Palmetshofer (*1978) wurde 2008 von „Theater heute“ zum Nachwuchsautor des Jahres gekürt. Der Oberösterreicher, der in Wien u. a. Theaterwissenschaft und Theologie studierte, war 2007/8 im Schauspielhaus Wien Hausautor und Dramaturg.

Stücke:„hamlet ist tot. keine schwerkraft“ (2007), „faust hat hunger und verschluckt sich an einer grete“ (2009). Am 11. 9. 2010 wurde „tier. man wird doch bitte unterschicht“ in Dresden uraufgeführt. „Helden“ entstand 2005 in der uniT-Stückentwicklung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2011)

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