In Europa herrscht Meinungsfreiheit – solange nur eine Meinung geäußert wird

Wer den Islam besonders kritisch sieht, muss sich neuerdings darauf gefasst machen, als Kranker oder gar als Krimineller diskreditiert zu werden. Woran erinnert das bloß?

Quergeschrieben

Nachdem er in einer TV-Diskussion behauptet hatte, die Mehrzahl der Drogendealer seien „Schwarze oder Araber“, wurde der französische Kolumnist Eric Zemmour („Le Figaro“) unlängst von einem Pariser Strafgericht wegen „Anstiftung zum Rassismus“ verurteilt. Dass selbst der – sozialistische – Ex-Innenminister Jean-Pierre Chevènement dazu erklärt hatte, Zemmour habe lediglich „die Realität ausgesprochen“, beeindruckte den Richter nicht.

Ebenfalls vor Gericht verantworten musste sich heuer der dänische Journalist Lars Hedegaard für seine im privaten Rahmen gemachte Äußerung, Frauen hätten im Islam „keinen Wert, außer als Gebärmaschinen“ (Freispruch, freilich bloß aus formalen Gründen). Verurteilt hingegen wurde bekanntlich in Österreich Elisabeth Sabaditsch-Wolf, weil sie sich über das Geschlechtsleben des Propheten Mohammed in justiziabler Weise geäußert hatte.

Sogar der eher biedere Polizeipräsident von Hannover, Uwe Binas, kam kurz in die öffentliche Kritik, weil er die jugendliche Ausländerkriminalität in seiner Stadt mit der saloppen Formulierung „offenbar neigen diese Tätergruppen zu anderen Konfliktlösungsstrategien als Deutsche“ kommentiert hatte. Doch Binas behielt immerhin seinen Job – anders als Thilo Sarrazin, den seine Ansichten bekanntlich den Job als Bundesbank-Vorstand gekostet haben.

Je mehr derartige Fälle publik werden, um so stärker wird in der Öffentlichkeit der Eindruck, die Meinungsfreiheit im Europa des 21. Jahrhunderts sei durchaus endenwollend; und dies ganz besonders, wenn es um den Islam und die – überwiegend muslimische – Migration nach Europa geht. (Dass jemand seinen Job verloren hat, weil er sich über den christlichen Herrgott unpassend ausgelassen hat, ist ja schon länger nicht mehr vorgekommen.)

Der Eindruck ist leider nicht ganz falsch. Auf der einen Seite wird in den meisten europäischen Staaten die Freiheit der Meinung durch diesbezüglich immer restriktivere Gesetze immer mehr eingeschränkt, meist unter dem Prätext des Schutzes vor Diskriminierung. Auf der anderen Seite droht in der öffentlichen Auseinandersetzung die Moralkeule „Islamophobie“ jedem, der es irgendwie nicht okay findet, dass für manche hier lebende Muslime die westlichen Werte eher entbehrlich erscheinen.

Und „Islamophobie“, so hat uns der türkische Ministerpräsident Erdoğan erklärt, sei ja „ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Wer also Kritik am Islam übt, ist islamophob. Oder zumindest ein „Panikmacher“, wie der FAZ-Feuilletonchef Patrick Bahners seine jüngst erschienene Brandschrift wider die angeblich wuchernde „Islamophobie“ zu nennen beliebt.

Es ist leider der Sache des offenen „republikanischen Diskurses“ (Jean-Pierre Chevènement) nicht wirklich dienlich, wenn Kritik am Islam – und sei sie im Einzelfall auch überzogen – bestenfalls als Krankheitsbild („Phobie“) abgetan und schlimmstenfalls als Straftat („Anstiftung zum Rassismus“) sanktioniert wird. Als Geisteskranke und/oder Kriminelle wurden zu Zeiten des Kommunismus sowjetischer Prägung Dissidenten bezeichnet. Dem liberalen europäischen Rechtsstaat steht nicht zu, das Vertreten von Meinungen, und seien sie im Einzelfall auch noch so abwegig, mit ähnlichen Methoden zu verfolgen.


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Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2011)

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