Glawischnig: "Halte nichts von ewigen Vergleichen"

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Grünen-Chefin bezeichnet die deutschen Wahlergebnisse als Sonderfall, vertraut in Österreich auf einen Aufwärtstrend und hält sich trotz des "Kretschmann-Faktors" à la Van der Bellen für die richtige Frontfrau.

Die Presse: Ein Erdrutschsieg und der erste Ministerpräsident für die Grünen in Baden-Württemberg: Warum schaffen so etwas die Grünen in Österreich nicht?

Eva Glawischnig: Der Erdrutsch ist sicher auch mit der schrecklichen Katastrophe in Japan zu erklären – ohne Fukushima wäre es nicht so weit gekommen. Es war eine Sondersituation. Vor Fukushima hatten etwa die Grünen in Hamburg Wahlergebnisse von plus einem Prozentpunkt. Aber natürlich ist das Ergebnis auch mit der sehr konsequenten Haltung der Grünen in Baden-Württemberg für die Abschaltung der AKW zu erklären. Immerhin: Das Thema, wie wir erneuerbare Energien durchsetzen, ist eine Grundsatzfrage und hat sich bezahlt gemacht. Bei uns wird es bis 2013 Wahlkampfthema sein.

Dabei ist es in Österreich schon seit Jahren Thema. Warum hat es sich hier nie ausgezahlt?

Das hat sich sehr wohl ausgezahlt. Dort, wo die Grünen regieren, zum Beispiel in Oberösterreich, wurde die Koalition fortgesetzt. Und Werner Kogler hat in der Steiermark dazugewonnen. Bundesweit arbeiten wir schon länger auf einem Niveau, das herzeigbar ist. Wir haben zwischen zehn und elf Prozent.

Aber bei uns stagnieren die Grünen.

Wir sind die dritterfolgreichste Grünpartei in Europa. Was uns allerdings fehlt, was uns die deutschen Grünen voraushaben, ist die Regierungserfahrung im Bund. Sie haben den Atomausstieg und das Gesetz für erneuerbare Energien, das mittlerweile weltweit kopiert wird, durchgesetzt. Da haben sie eine wirtschaftliche Revolution geschafft, weil auch hunderttausende Jobs in dem Bereich entstanden sind.

In Rheinland-Pfalz haben die deutschen Grünen ihre Stimmen jetzt verdreifacht. In Österreich, allerdings im Bund, schöpfen die Grünen gerade mal ein Drittel ihres Potenzials aus, Protestwähler gehen eher zur FPÖ. Dabei müssen sich die Grünen in Österreich nicht mit einer Linken Partei oder mit den Sozialdemokraten in der Opposition messen. Die Lage ist doch desaströs, oder?

Im Bund liegen die deutschen ähnlich wie die österreichischen Grünen, man sollte auch nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Wir hatten in der Stadt Innsbruck auch schon 27 Prozent. Was vorbildlich ist, ist das Team Kretschmann (des designierten Ministerpräsidenten, Anm.), das energiepolitische Themen über Jahre auch durch Tiefen und mit viel Rückgrat vertreten hat. Das verdient Respekt.

Winfried Kretschmann gilt als bieder, ist Gymnasiallehrer, nennt sich selbst konservativ, ist quasi der deutsche Alexander Van der Bellen. Setzen Österreichs Grüne etwa auf die falsche Spitzenkandidatin, den falschen Typ an der Spitze?

Ich habe noch keine Wahl verloren und werde bei der nächsten Wahl zum ersten Mal als Spitzenkandidatin antreten. Für uns ist Kretschmanns Abschneiden schlicht eine Freude und Rückenwind, es gibt uns Hoffnung für 2013. Und Van der Bellen ist ein wichtiger Repräsentant der Partei.

Noch einmal zu Fukushima: Können tagesaktuelle Einflüsse wirklich eine Entschuldigung dafür sein, dass man selbst keine klaren Erfolge feiert?

Wir stehen nun einmal zwei Wochen nach Fukushima. Ich halte nichts von den ewigen Vergleichen: Warum geht's den einen, den Grünen in Deutschland, gut, den anderen in Österreich aber schlecht? Das ist doch ein Klischee. Wichtig ist, dass grüne Projekte gestärkt werden, und die sind europaweit die gleichen. Und in einer market-Umfrage vom Februar hatten wir rund 16 Prozent.

Und die würden Sie jetzt auch bei Wahlen holen?

Das kann ich nicht sagen, gewählt wird 2013. Und die Katastrophe von Fukushima ist ein weiterer Auftrag, die Energiewende voranzutreiben. Als Nächstes werden wir am Wochenende mit den europäischen und insbesondere den deutschen Grünen unsere Ausstiegsinitiative festmachen. Die Wahl in Deutschland ist für uns so etwas wie ein Volksentscheid zum Thema AKW.

Bleibt dann 2013 für Sie nur Rot-Grün – oder doch Schwarz-Grün?

Wir definieren uns nicht über die Nähe zu Parteien. Was zählt, ist das Thema Energiewende, und das hatte bis jetzt weder für die ÖVP noch für die SPÖ Priorität. Das muss aber kommen und darf nicht für populistische Zwecke missbraucht werden. Momentaufnahmen sagen nicht viel aus. Der einzig relevante Schluss aus Deutschland ist: Das energiepolitische Thema muss ins Zentrum.

Zur Person

Eva Glawischnig, 42, ist seit 2009 Bundessprecherin der Grünen. Von 2006 bis 2008 war sie Dritte Nationalratspräsidentin, seit 1999 ist sie Abgeordnete. Bei der Nationalratswahl 2008 kamen die Grünen auf 10,43 Prozent – Umfragen zufolge liegt ihr Potenzial jedoch bei bis zu 40 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2011)

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