Ratiopharm-Chef: "Pillen sind keine Mannerschnitten"

(c) Clemens Fabry
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Ratiopharm-Österreich-Chef Spatz erklärt im Gespräch mit der "Presse", warum Generikahersteller auf originale Arzneimittel angewiesen sind und dass gute Medikamente ihren Preis haben.

Die Presse: In den kommenden Jahren verlieren einige umsatzstarke Medikamente ihren Patentschutz. Weil im Gesundheitswesen die Kosten sinken müssen, forcieren Staaten immer stärker günstige Nachahmerprodukte (Generika) statt Originalmedikamente. Es scheint, als ob rosige Zeiten auf Sie zukommen...

Martin Spatz: Mit Formulierungen wie diesen muss man vorsichtig sein. Es ist richtig, dass in den nächsten Jahren einige Patente ablaufen werden. Doch in dem Moment, in dem ein Arzneimittel seinen Patentschutz verliert, können wir zwei Entwicklungen beobachten: Erstens fallen die Preise für ein Produkt rapide. Zweitens drängen viele unserer unmittelbaren Wettbewerber auf den Markt, um ihre Generika in Stellung zu bringen.

Daran ist doch nichts Verwerfliches...

Nein, natürlich nicht. Um den Wettbewerb zu gewinnen, muss man einfach früher als alle anderen Anbieter mit einem Produkt auf den Markt kommen.


Aber Ratiopharm gehört doch zu Teva, dem Weltmarktführer bei Generika. Da werden Sie ja nicht allzu große Probleme haben.

Probleme haben wir damit nicht. Aber wenn wir uns die Situation in Österreich ansehen, ist es schon etwas schwieriger. Wir müssen hierzulande viele verschiedene Packungen mit den unterschiedlichsten Wirkstoffmengen anbieten. Auf größeren Märkten rentiert sich das mehr.

Inwiefern?

Vergleichen Sie einmal die österreichischen Arzneimittelpreise mit denen in anderen Staaten der Europäischen Union. Hierzulande kosten Medikamente wesentlich weniger. Problematisch ist dabei, dass manche der Ansicht sind, eine Packung Medikamente dürfe nicht mehr kosten als eine Packung Mannerschnitten. Bei einer derartigen Erwartungshaltung ist es fraglich, wie man dauerhaft hohe Qualität zu niedrigen Preisen anbieten kann.

Die Pharmabranche gilt als eine der margenstärksten überhaupt. Unter dem Strich wird wohl genug übrig bleiben...

Ich würde sagen, bei den Originalpräparaten sind die Margen zu Recht hoch. Schließlich haben die Pharmakonzerne jahrelang viel Geld in die Hand genommen, um an ihren Medikamenten zu forschen und diese dann auch auf den Markt zu bringen. Aber wenn ich mir viele unserer Generika-Verkaufsschlageransehe, kann ich keine exorbitanten Margen erkennen.

Wie hoch sind Ihre Margen denn?

Ich möchte mich hier nicht auf eine Spannendiskussion einlassen, aber ich würde sagen, dass die Margen in vielen Fällen nicht zweistellig sind.

Die Marktdurchdringung mit Generika ist in Europa höchst unterschiedlich. In den USA ist der Markt schon größer. Wie wird es bei uns weitergehen?

Prognosen sind immer schwierig. Möglicherweise wird es mengenmäßig einmal mehr Generika als Originalprodukte geben. Wertmäßig wird das aber sicher nie der Fall sein. Man darf nicht vergessen, dass man sich als Generikahersteller viele gute Originalpräparate wünschen muss. Denn wenn die Firmen nicht ausreichend an Medikamenten forschen, gibt es unter dem Strich auch weniger Produkte, die eines Tages ihren Patentschutz verlieren.

Und wie kann man sich als Generikahersteller vor dieser Entwicklung schützen?

Indem man selbst Geld für Forschung in die Hand nimmt und anfängt, eigene Medikamente zu entwickeln. Die intelligenten Generikakonzerne verfolgen einen solchen Ansatz. Eines möchte ich in diesem Zusammenhang aber auch festhalten: Die Originalanbieter und wir sind keine Feinde.

Aber in der Vergangenheit haben die Pharmafirmen Unternehmen wie Ihres mit Patentverletzungsklagen eingedeckt, um die Einführung von Generika hinauszuzögern. Freundlich ist das nicht gerade. Erst vor einiger Zeit gab es deshalb sogar Razzien bei Pharmakonzernen.

Es stimmt, die Originalanbieter sind durchaus kreativ, wenn es darum geht, ihren Patentschutz zu verlängern. Die Firmen haben dann damit begonnen, nicht nur die Substanz, sondern auch die Formulierung des Medikaments, die Blisterpackung und viele andere Bestandteile zu schützen. Auf diese Weise kann man den Patentschutz natürlich ins Unermessliche ausdehnen. Auch in Österreich hatten wir schon unsere Schlachten zu schlagen. Die waren zwar durchaus intensiv, aber eigentlich immer fair – und erfolgreich für uns.

Auf einen Blick

Martin Spatz ist seit dem Ende des Vorjahres Geschäftsführer der Österreich-Niederlassung von Ratiopharm. Der deutsche Generikaproduzent wurde 2010 von der israelischen Teva-Gruppe übernommen – dem größten Generikahersteller der Welt. Hierzulande ist Ratiopharm ausschließlich für den Vertrieb der Arzneimittel zuständig, geforscht wird in Österreich nicht. [Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2011)

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