Autor und Journalist Andre Müller gestorben

Der österreichische Journalist Andre Müller galt als Gesprächsvirtuose und entlockte seinen Interview-Partnern Geheimnisse und Bekenntnisse. Nicht wenige Kulturgrößen versuchten, den Abdruck ihrer Gespräche zu verhindern.

Er war Autor und Journalist, vor allem aber genialer Interviewer und Künstler des Gesprächs: Andre Müller, in Wien aufgewachsen, sorgte für einige der denkwürdigsten Interviews im deutschsprachigen Kulturleben - und bei jenem mit Claus Peymann für einen österreichischen Skandal. Müller ist in der Nacht auf Sonntag in München an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben, berichten deutsche Zeitungen. 

Sohn einer Österreicherin und eines Franzosen

Andre Müller wurde 1946 im ostdeutschen Brandenburg als Sohn einer Österreicherin und eines französischen Soldaten geboren, wuchs aber in Wien auf. Nach der Matura studierte er Philosophie, Germanistik und Geschichte und begann seine Laufbahn 1967 als Gerichtsreporter sowie bei der "Kronen Zeitung".

1970 ging er nach München. Nach seinem Engagement bei der "Abendzeitung" wurde er als freier Journalist zum geliebten und gefürchteten Gegenüber der Größen der Kulturwelt und veröffentlichte in Zeitungen und Zeitschriften wie dem "Spiegel", dem "Stern", der "Zeit", der "FAZ" oder der "Weltwoche".

Viele Künstler, wenige Politiker

Nicht wenige seiner Interviewpartner versuchten, die Veröffentlichung der Gespräche zu verhindern - hatten sie sich doch dazu hinreißen lassen, ihre tiefsten Ängste und Verzweiflungen auf Tonband aufzusprechen. Erika Pluhar etwa kontaktierte nach dem Gespräch umgehend ihren Anwalt, war später von dem Interview aber dennoch begeistert.

Franz Vranitzky und Jörg Haider gehörten zu den wenigen Politikern, mit denen Müller sprach, eher konzentrierte er sich auf die Künste: Friedrich Dürrenmatt, Thomas Bernard, Günter Grass, Peter Handke, Elfriede Jelinek und viele, viele mehr. Ein Gespräch mit seiner Mutter, "Man lebt, weil man geboren ist", wurde 1997 am Hamburger Thalia-Theater szenisch uraufgeführt. Für seine Prosatexte wurde er im Jahr 2000 mit dem Ben-Witter-Preis ausgezeichnet.

Das Interview mit Claus Peymann

Die meiste Aufregung war Müller für sein Gespräch mit dem damaligen Burgtheaterdirektor Claus Peymann in der "Zeit" beschieden, in dem dieser nicht mit Kritik an einem Gutteil der ersten Garde der damaligen Gesellschaft hinterm Berg hielt. "Mit Recht konnten sich durch den Text folgende Personen beleidigt fühlen: die Politiker Kohl, Rau und Waldheim, die Schriftsteller Frisch, Dürrenmatt, Handke, Müller, Kroetz, Strauß und Hochhuth, die Regisseure Grüber, Bogdanov, Dorn, Benning, Schaaf, Tabori und Zadek, die Schauspieler Minetti und Wussow, der Showmaster Carrell, der Fußballer Beckenbauer. Doch gerade die Beleidigten regten sich nicht auf", resümierte Müller auf seiner Homepage. Er hielt das Interview nicht für sein bestes - und war erzürnt über seine Folgen: "Ein Theaterdirektor läßt die Hosen herunter, und alle, die ihn schon immer nicht ausstehen konnten, beeilen sich, es ihm nachzumachen."

Auch sein letztes Interview, im Vorjahr für die FAZ, führte Müller mit einem Wiener Theaterintendanten: Luc Bondy. Nicht zuletzt ging es darin um dessen Krebserkrankung. Dass Müller zu diesem Zeitpunkt selbst an Krebs litt, wusste er noch nicht.

Literarisches Vermächtnis

Im Juli 2011 erscheint laut Verlagsangaben das literarische Vermächtnis "Sie sind ja wirklich eine verdammte Krähe! Letzte Gespräche und Begegnungen. Mit einem Vorwort von Elfriede Jelinek" im Langen Müller Verlag. Darin sind noch einmal seine großen Interviews zusammengefasst, die bisher nicht in Buchform erschienen sind, und wurden um bisher unveröffentlichte Texte ergänzt.

Link

Andre Müllers Texte und Gespräche im Internet:

www.a-e-m-gmbh.com/andremuller

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.